Glienicke/Nordbahn (Landkreis Oberhavel; Brandenburg),
das Siedlungsgebiet des kleinen Angerdorfes Glienicke und seine
Umgebung auf verschiedenen historischen Karten, sortiert in chronologischer Reihenfolge zur
Verdeutlichung seiner städtebaulichen (nicht mehr ländlich-dorfbaulichen) Entwicklung, darunter
auch amtliche topographische Karten / Messtischblätter des Deutschen Reiches. Alle hier gezeigten
Bildausschnitte aus diesen Karten wurden zur Verbesserung der Lesbarkeit geringfügig digital
bearbeitet (Kontrast, Bildschärfe, teilweise Farboptimierung), Quellenangaben und Bildrechte
werden jeweils im Text zu den einzelnen Karten genannt. Die ausschnittweise Wiedergabe der
Karten erfolgt aus rein privatem Interesse an der Siedlungsgeschichte der Gemeinde
Glienicke/Nordbahn, es werden keine kommerziellen Absichten verfolgt. Die folgenden Texte
und Abbildungen wurden hier auf dieser Webseite erstmalig veröffentlicht am 22.3.2023,
letzte Ergänzungen am 16.7.2024.
Glienicke und der Namenszusatz "Nordbahn"
Aus verschiedenen mittelalterlichen Namensformen, abgeleitet aus dem slawischen Wort für Lehm (glina),
hat sich der aktuelle Ortsname entwickelt; siehe dazu die Ausführungen unten zu den Geologischen
Spezialkarten. Wie man sämtlichen topographischen Karten sowie den älteren statistischen Verzeichnissen
entnehmen kann, war dabei die amtliche Schreibweise des Ortsnamens bis 1990 immer allein
Glienicke in verschiedenen Formen, jedoch ohne jeden Zusatz, der Namenszusatz
Nordbahn taucht nach Inbetriebnahme der Berliner Nordbahn 1877 zwar ab etwa 1900
in einigen halboffiziellen oder gemeindeinternen Varianten auf, ab den 1930er Jahren auch in
amtlichen Dokumenten, jedoch bis 1993 nie auf topographischen Karten.
So gab es z.B. in den verschiedensten Publikationen, Drucksachen, Ansichtskarten und Dokumenten folgende
Ortsbezeichnungen: Glienicke bei Hermsdorf oder Glienicke b. Hermsdorf
oder Glienicke bei Hermsdorf (Mark) oder Glienicke bei Berlin-Hermsdorf
oder Glienicke a/Nb. oder Glienicke a. d. Nordbahn oder
Glienicke, Nordbahn oder Glienicke-Nordbahn oder
Glienicke (Nordbahn) und zuletzt (wohl erst seit den 1940er Jahren)
Glienicke/Nordbahn oder Glienicke/Nordb. (mit oder ohne Punkt).
Diese Aufzählung ist nicht vollständig, siehe dazu weitere Anmerkungen unten. Alle Namenserweiterungen
dienten zuerst der Unterscheidung von den anderen gleichnamigen Orten und damit auch der postalischen
Orientierung sowie später der Standortwerbung für Berlin-Nähe und Eisenbahnanbindung über den knapp
2 Kilometer entfernten Bahnhof Hermsdorf. Man darf gespannt sein, ob es bei der aktuellen
Ortsbezeichnung bleibt, denn der nach rechts geneigte Schrägstrich ist aktuell nicht zulässig
für Dateinamen, im digitalen Bereich also ein Problem ( / = Forward Slash).
Unter allen oben genannten Ortsbezeichnungen war Glienicke postalisch erreichbar, erst
mit Einführung von Postleitzahlen (PLZ) für das Gebiet der DDR ab 1964 bis 1990 unter
1405 Glienicke im Kreis Oranienburg. Im Postleitzahlenverzeichnis der
DDR von 1964 erschien es unter "1405 Glienicke (Nordbahn)" ‒ ein
inoffizieller Zusatz der Post, siehe weiter unten. Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde
den ostdeutschen Postleitzahlen ein "O" für "Ost" vorangestellt, hier
also O-1405 Glienicke. Am 1.7.1993 wurden in ganz Deutschland fünfstellige
Postleitzahlen eingeführt, erst seitdem heißt der Ort postalisch 16548 Glienicke/Nordbahn,
nunmehr offiziell mit Namenszusatz und seit 6.12.1993 (Kreisgebietsreform) im neuen Landkreis
Oberhavel. Die Entscheidung der Gemeindevertretung, den Namen "Glienicke/Nordbahn"
offiziell in dieser Schreibweise zu führen, ist jedoch stillschweigend schon nach der Kommunalwahl
am 6.5.1990 gefallen, also noch während der DDR-Zeit. In ihrer ersten kommunalen Hauptsatzung vom
27.6.1990 hat sich die Gemeinde ohne weitere Erklärung "Glienicke/Nordbahn" genannt;
Hinweise dazu unten, siehe direkt hier:
►.
Dank der Nähe zur Stadt Berlin existieren überdurchschnittlich viele
topographische Karten, auf denen die Gemarkung Glienicke bzw.
Glienicke/Nordbahn verzeichnet ist, die städtebauliche Entwicklung der
Gemeinde lässt sich daher besonders anhand dieser Karten sehr gut
erläutern. Da auf amtlichen topographischen Karten (Preußische
Landesaufnahme, Landesvermessungsamt Brandenburg, usw.) grundsätzlich
die offiziellen / amtlichen Ortsbezeichnungen verwendet wurden, können
auch Umbenennungen bei Ortsnamen gut nachvollzogen werden; nichtamtliche
Verlage haben sich zeitnah daran orientiert.
Datenquellen und Literatur
Die Quellenangaben und Bildrechte für die topographischen Karten
und sonstigen Abbildungen werden jeweils im Text zu den einzelnen Karten bzw. Bildern genannt.
► Friedrich Wilhelm August Bratring: Statistisch-topographische
Beschreibung der gesammten Mark Brandenburg. Für Statistiker, Geschäftsmänner, besonders für
Kameralisten. Zweiter Band. Die Mittelmark und Ukermark enthaltend. Bei Friedrich Maurer, Berlin 1805.
Glienicke auf Seite 202, Sandkrug auf Seite 213
► Ortschafts-Verzeichnis des Regierungs-Bezirks Potsdam
nach der neuesten Kreiseintheilung vom Jahre 1817, mit Bemerkung des Kreises, zu welchem der Ort früher
gehörte, der Qualität, Seelenzahl, Confession, kirchlichen Verhältnisse, Besitzer und Addreß-Oerter, nebst
alphabethischem Register. Berlin, gedruckt bei Georg Decker ...
► Ernst Fidicin: Die Territorien der Mark Brandenburg
oder Geschichte der einzelnen Kreise, Städte, Rittergüter, Stiftungen und Dörfer in derselben als Fortsetzung
des Landbuchs Kaiser Karl's IV. Band 1.2.: Der Kreis Nieder-Barnim. Berlin 1857, Verlag von J. Guttentag.
Digitalisiert vom Münchener DigitalisierungsZentrum der Bayerischen Staatsbibliothek
► Die Gemeinden und Gutsbezirke des Preussischen Staates
und ihre Bevölkerung. Band II: Provinz Brandenburg. Nach den Urmaterialien der allgemeinen
Volkszählung vom 1. December 1871 bearbeitet und zusammengestellt vom Königlichen Statistischen Bureau.
Verlag des Königlichen Statistischen Bureaus (Dr. Engel), Berlin 1873. Glienicke auf den Seiten 32-33
► Gemeindelexikon für den Stadtkreis Berlin und die Provinz
Brandenburg. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 1. Dezember 1885 und anderer amtlicher
Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. Verlag des Königlichen statistischen Bureaus,
Berlin 1888. Glienicke auf den Seiten 38-39 und 44-45
► Gemeindelexikon für den Stadtkreis Berlin und die Provinz
Brandenburg. Auf Grund der Materialien der Volkszählung vom 2. Dezember 1895 und anderer amtlicher
Quellen bearbeitet vom Königlichen statistischen Bureau. Verlag des Königlichen statistischen Bureaus,
Berlin 1898. Glienicke auf den Seiten 40-41 und 44-45
► Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen. Band 3: Provinz
Brandenburg. Nach dem endgültigen Ergebnis der Volkszählung vom 16. Juni 1925 und anderen amtlichen
Quellen unter Zugrundelegung des Gebietsstandes vom 1. Juni 1932 bearbeitet vom Preußischen Statistischen
Landesamt. Verlag des Preußischen Statistischen Landesamts, Berlin 1932. Glienicke auf Seite 62
► Amtliches Gemeindeverzeichnis für das Deutsche Reich
auf Grund der Volkszählung 1939. Herausgegeben vom Statistischen Reichsamt. Zweite Auflage. Verlag für
Sozialpolitik, Wirtschaft und Statistik, Paul Schmidt, Berlin 1941. Glienicke auf Seite 56
► Max Kühnlein: Beiträge zur Geschichte der Ortschaften
Hohen-Neuendorf i. Mark, Birkenwerder, Lehnitz, Schönfließ, Glienicke, Hermsdorf i. Mark,
Stolpe im Kreise Nieder-Barnim. Auf Grund historischer Quellen und amtlicher Urkunden.
Gedruckt bei W. Blankenfeldt, Berlin 1912. Digitalisiert von der Universitätsbibliothek der
Humboldt-Universität Berlin unter www.digi-hub.de ‒ Glienicke auf den Seiten 29-31
(Textauszug siehe direkt hier:
►)
► Historisches Ortslexikon für Brandenburg. Teil VI:
Barnim. Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (Staatsarchiv Potsdam). Bearbeitet
durch Lieselott Enders, erschienen bei Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 1979; digital im Berliner
Wissenschafts-Verlag (Open Access Download); "Glienicke/Nordb" (ohne Punkt) unter anderem auf
den Seiten 187-188
► Brandenburgisches Namenbuch. Teil 5: Die Ortsnamen des
Barnim. Von Gerhard Schlimpert mit einem Beitrag von Rolf Barthel. Berliner Beiträge zur Namenforschung. Hermann
Böhlaus Nachfolger, Weimar 1984. "GLIENICKE/Nordbahn" (in dieser Schreibweise) auf Seite 145 sowie
"Gem. Glienicke" zu Eichwerder auf Seite 130; "Nordbahn" wird als "unterscheidender Zusatz"
(Seite 89) durch abweichende Schreibweise kenntlich gemacht, dieser Zusatz ist somit nicht Bestandteil des ORTSNAMENS.
► Postleitzahlen der Deutschen Demokratischen Republik 1964.
Herausgegeben vom Ministerium für Post- und Fernmeldewesen Berlin. Glienicke auf Seite 49 verzeichnet unter
"1405 Glienicke (Nordbahn)" ‒ genau in dieser Schreibweise
► Verzeichnis der Gemeinden und Ortsteile des Landes Brandenburg
(Stand: 1.1.1991). Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Brandenburg, Cottbus im September 1991.
"Glienicke/Nordbahn" (Kreis Oranienburg) auf den Seiten 81 und 134
► Historisches Gemeindeverzeichnis des Landes Brandenburg 1875
bis 2005. Landkreis Oberhavel. Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, Potsdam 2001
► Christoph Bernhardt: Bauplatz Groß-Berlin.
Wohnungsmärkte, Terraingewerbe und Kommunalpolitik im Städtewachstum der Hochindustriealisierung
(1871-1918). Verlag Walter de Gruyter & Co., Berlin / New York 1998.
► Zeichen-Erklärung für die Messtischblätter 1:25000.
Herausgegeben von der Kartographischen Abteilung der Königlich Preussischen Landes-Aufnahme (1898). Reproduktion:
Landesvermessungsamt Nordrhein-Westfalen, Druck und Digitalisierung als PDF: Niedersächsisches Landesverwaltungsamt
(Landesvermessung) Hannover 1994
► Das Reichsamt für Landesaufnahme und seine Kartenwerke.
Verlag des Reichsamts für Landesaufnahme, Berlin 1931. Als PDF im Internet z.B. unter
https://www.luftfahrt-bibliothek.de/buch-reichsamt-landesaufnahme-kartenwerke.htm
► Theo Müller und Dirk Hubrich: Überblick über
das Karten- und Vermessungswesen des deutschen Heeres von 1919 bis 1945 (Teil 1) sowie Theo Müller:
Die Divisionskartenstellen des deutschen Heeres von 1939 bis 1945 (Teil 2). Geoinformationsdienst der
Bundeswehr, Heft 5/2009, Euskirchen 2009
► Unverhau / Lucht / Henkel / Scholz: Die Topographische
Karte "Ausgabe für die Volkswirtschaft" ‒ Staatssicherheit und Kartenverfälschung in
der DDR. Enthalten in: Vermessung Brandenburg, Heft 1/2006, herausgegeben vom Ministerium
des Innern des Landes Brandenburg, Potsdam 2006; Seiten 44-53. Als PDF zu finden auf der LGB-Website
unter https://geobasis-bb.de/sixcms/media.php/9/vbb_106.pdf (Stand: 10.4.2023)
► BLHA ‒ Brandenburgisches Landeshauptarchiv
mit Akten zur Gemeinde Glienicke (Separation, Straßenbau, Parzellierung von Grundstücken, usw.) sowie
zu den Gütern Schönfließ, Glienicke und Stolpe (Rittergüter, seit 1866 durch Fideikommiss verbunden,
Akte "37 Gut Schönfließ 1071", dieses 1928 aufgelöst). Nicht nur die Güter sondern auch die
drei Gemeinden waren vielfach durch rechtliche, wirtschaftliche und kirchliche Beziehungen miteinander
verbunden, die Akten überschneiden sich daher teilweise.
► Joachim Kullmann: Glienicker Bilderbogen. Zur
Vergangenheit und Gegenwart unseres Heimatortes - Ausgewählte Beispiele (= Ortschronik). Herausgegeben
durch die Gemeinde Glienicke/Nordbahn. Bisher sind 4 Bände erschienen zwischen 2004 und 2019, mit
einigen verstreuten Hinweisen auch zur Siedlungsgeschichte.
► Amtliches Fernsprechbuch für den Bezirk der
Reichspostdirektion Berlin. Herausgegeben von der Reichspostdirektion Berlin. Ausgabe Juli
1940. Digitalisiert unter https://digital.zlb.de/viewer/image/15849354_1940/7/
► Reinhard Krüger: Die Telegrammzensur im französischen
Sektor von Berlin. Enthalten in: Rundbrief Nr. 139 - 01/2013 (März 2013) der
Bundesarbeitsgemeinschaft "Französische Zone", Seiten 7-23; dabei zu den Postverhältnissen
zwischen Glienicke und Berlin-Reinickendorf besonders Seite 15. Als PDF siehe direkt hier:
►
► Wolfgang Blöß: Grenzen und Reformen in einer
Umbruchgesellschaft. Vom Land Brandenburg zu den Bezirken 1945-1952. BWV Berliner
Wissenschafts-Verlag GmbH, Berlin 2014. Zu Glienicke sinngemäß zitiert nach den Seiten 43, 117, 124, 130
► Kalender für den Kreis Niederbarnim, Jahrgänge
1914-1942, auf der Website der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam (SLB) unter
https://opus4.kobv.de/opus4-slbp/solrsearch/index/search/searchtype/collection/id/18537
► Die Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim.
Bearbeitet von Heinrich Jerchel und Joachim Seeger, Mitarbeiter Siegfried Harder, Richard Moderhack
und Kurt H. Wels. (Die Kunstdenkmäler der Provinz Mark Brandenburg. Herausgegeben vom
Brandenburgischen Provinzialverband unter der Schriftleitung von Heinrich Jerchel.) Deutscher
Kunstverlag, Berlin 1939. Digitalisiert von der Universitätsbibliothek Heidelberg unter
http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/kdpb_bd3_4 (gemeinfrei).
Das Dorf Glienicke und der Sandkrug im Kreis Niederbarnim
Zuerst wird hier ein Auszug aus Seite 118 der "Kunstdenkmäler des Kreises Niederbarnim"
wiedergegeben (Text zu Glienicke), danach aus Seite 307 mit der im Text erwähnten Ansicht des Dorfes
(Aquarell, Bildunterschrift: "Glienicke. Ansicht um 1795"), im Vordergrund der Bauernhof
mit Gastwirtschaft "Sandkrug" an der Landstraße nach Oranienburg, im Hintergrund das
Dorf noch mit der alten Fachwerkkirche von 1705. Das Aquarell ist wohl nach einer älteren
Darstellung von 1740 oder 1746 entstanden (siehe unten). Der Name "Sandkrug" bezieht
sich auf das sandige Umfeld mit einem westlich unmittelbar angrenzenden Dünenzug im heutigen
Frohnau, es handelte sich ursprünglich im wahrsten Wortsinn um einen "Krug im Sande".
1839 war der Ausbau der Landstraße zur Chaussee abgeschlossen, die "Berlin-Strelitzer-Chaussee"
wurde eröffnet. Ab 1. Mai 1839 wurde Chausseegeld erhoben, die Chausseegeld-Hebestelle für den Abschnitt
zwischen Berlin und Oranienburg (ca. 4 Preußische Meilen / ca. 30 Km) war neben der Hermsdorfer
Wassermühle, in der heutigen Kurve Berliner Straße 141 (Amtsblatt der Regierung zu Potsdam 1839,
Stück 18, Seite 154). Seitdem gibt es in Glienicke die "Oranienburger Chaussee".
Zum Vergleich noch die angeblich ältere Darstellung (Bildquelle: Gemeindearchiv Glienicke / Wikipedia,
leicht bearbeitet), unter anderem bei Joachim Kullmann im Band 4 seines "Glienicker Bilderbogen"
auf Seite 96 wiedergegeben als "Darstellung aus dem Jahre 1740". Im Kreiskalender
Niederbarnim 1940 auf Seite 67 erscheint dagegen nicht dieses sondern das obere Bild mit der Angabe
"Glienicke im Jahre 1746", und genau dieses obere Bild wird in "Kunstdenkmäler
des Kreises Niederbarnim" auf Seite 307 gezeigt als "Ansicht um 1795". Soviel zur
Glaubwürdigkeit und Zitierfähigkeit der literarischen Quellenangaben. Kullmann schildert in
seinem Bilderbogen im Band 1 auf den Seiten 118-125 die Geschichte des Sandkrugs unter Verwendung
eines Textes von Anselm Fitzkow. Der Name "Sandkrug" für ein Wirtshaus ist im Übrigen kein
Einzelfall, allein Wikipedia listet 18 gleichlautende Ortsnamen auf in Verbindung mit historischen
Gasthäusern im (ehemals) deutschsprachigen Raum, teilweise ebenfalls als frühere Relaisstationen
(Umspannstation im Postverkehr, Pferdewechselstation) an Poststraßen, so z.B. Sandkrug bei Nauen.
Joachim Kullmann hat für das mehrfach von ihm publizierte untere Bild immer
als Quelle das Archiv der Gemeinde Glienicke bzw. sein eigenes Archiv als
Ortschronist angegeben. Dabei handelt es sich aber nur um eine schlecht
reproduzierte Kopie dieser historischen Darstellung aus einem wesentlich
später gedruckten Buch, also um die Kopie einer Kopie. Weder die Publikation,
aus der diese Kopie stammt, noch die Entstehungszeit und Autorenschaft des
originalen Kunstwerks (Stich / Radierung, schwarz-weiß oder koloriert ?)
wurden mitgeteilt. Mit "Gemeindearchiv" bzw. "Archiv Autor"
wird somit keine Quelle bezeichnet sondern nur der Aufbewahrungsort dieser
Kopie. Eine zitierfähige Quellenangabe zum Original und damit zur zeitlichen
Einordnung der Darstellung existiert nicht. Es bleibt unklar, zu welchem
Zeitpunkt sich Hauptgebäude, Hofanlage und Umfeld des Sandkrugs in diesem
Zustand befanden, weil nicht mitgeteilt wird, ob mit "1740" der
dargestellte Zustand oder die Entstehungszeit des Kunstwerks gemeint ist.
Der Künstler hat jedenfalls eine erstaunlich detailgenaue Darstellung
geliefert: Man erkennt ein sogenanntes Doppelstubenhaus (massiv oder
verputztes Fachwerk ?) mit einer kleinen Eingangslaube, rechts mit einem
unbeheizten (späteren ?) Fachwerk-Anbau, das steile Satteldach mit Strohdeckung
(oder Reet aus dem Kindelsee ?), der Giebel senkrecht verbrettert mit
Giebelluke und Ladebalken für den Aufzug zur Beschickung des Dachraums.
Weitere Angaben zu diesem Haustyp siehe hier:
►
und hier:
►.
Das letzte Sandkrug-Gebäude an dieser Stelle wurde 1898 als massiver Ersatzbau
errichtet, ein Foto ist weiter unten zu sehen.
Theodor Fontane beschreibt 1873 im dritten Band seiner
"Wanderungen durch die Mark Brandenburg" die Fahrt von Berlin nach Oranienburg
als eine etwa dreistündige Fahrt und erwähnt dabei auch den Sandkrug: "Der Weg dahin
führt uns, an Tegel vorbei, zunächst bis an den romantischen Sandkrug, wo die Stehkrippen
von unseren zwei Braunen mit lebhaftem Prusten begrüßt werden. Der Sandkrug verdient den
Beinamen »romantisch«, ... denn die Forsten, die ihn einfassen, sind fast der
einzige Punkt noch in der Umgegend Berlins, darin sich ein Stückchen mittelalterlicher
Wegelagerei erhalten hat ... Sandkrug ist halber Weg. Noch eine anderthalbstündige Fahrt
... und wir halten auf einem großstädtisch angelegten Platz ... Das ist der Schloßplatz
von Oranienburg."
Die folgende Karte zeigt das Gebiet der späteren Kreise Niederbarnim und Oberbarnim
in seiner historischen Entwicklung und herrschaftlichen Abgrenzung, zu finden bei Ernst Fidicin: Die
Territorien der Mark Brandenburg ... Band 1.2. (siehe oben), mit dem Stand der Kreisgrenzen für den
Kreis Nieder-Barnim von 1857 (grüne Abgrenzungslinie).
Digitalisierung des Buches mit der Karte als PDF: © Münchener DigitalisierungsZentrum der
Bayerischen Staatsbibliothek; das dort enthaltene Bild wurde für die Wiedergabe hier auf der Webseite
in JPG transformiert und digital bearbeitet. Wenn Sie auf das Bild klicken, sehen Sie eine besser
lesbare Vergrößerung. Der Einführungstext zu diesem Band liefert eine gute Übersicht über die
Geschichte des Kreises Niederbarnim, seine Herrschaftsverhältnisse, Städte und Dörfer. Die südliche
Kreisgrenze verlief damals mitten durch das Stadtzentrum von Berlin, Glienicke liegt 16 Km
nordwestlich der Stadtmitte an der Chaussee nach Oranienburg und Gransee (Karte ohne Maßstab).
Glienicke auf topographischen Karten
Bis etwa 1890 hat das kleine märkische Angerdorf Glienicke so gut wie keine städtebauliche (dorfbauliche)
Entwicklung erlebt, es hat lediglich architektonische Veränderungen gegeben durch Bautätigkeit auf
einzelnen Höfen, z.B. durch Abbruch und Ersatzbau, Umbau oder bauliche Verdichtung durch Hofteilungen
sowie durch den Neubau der Dorfkirche (Angaben zur neuen Kirche von 1865 siehe hier:
►). Nachdem das Dorf im
30-jährigen Krieg vollständig wüst gefallen war, gab es um 1745 wieder 8 Bauern und einen Krüger,
daneben vermutlich auch einen Hirten und einen Schäfer, mit insgesamt etwa 70 Einwohnern. Dem
Status nach waren die Krüger fast immer Bauern, nur selten Kossäten. 1750 war der dänische
Oberstleutnant von Platen Besitzer des Ritterguts Stolpe, Glienicke war eine Pertinenz (Zubehör,
Nebengut) von Stolpe (Fidicin, Seite XIV).
Für das Jahr 1776 werden 8 Hüfner (= Vollbauern mit Gehöft und
mindestens einer Hufe Land) sowie 1 Hirte genannt, mit im Jahr 1772
gezählten 79 Einwohnern. 1840 gab es im Dorf 11 Wohnhäuser, für 1856 werden
7 Bauern und 10 andere Familien genannt, zu dieser Zeit war Glienicke ein "landtagsfähiges
Rittergut", Besitzer war Major von Veltheim (Fidicin, Seite XVII). Glienicke war somit nach seiner
Sozialstruktur noch bis etwa 1840 ein reines Bauerndorf (weitere Hinweise zu diesem
Thema siehe hier: ►).
Seit vor 1412 (erstmalige Erwähnung als Dorf Glyneck) gehörte die Gemarkung Glienicke zum Rittergut Stolpe,
durch Vereinigung mit Schönfließ ab 1771 zum Rittergut Schönfließ, Eigentümer war der brandenburgische
Kurfürst bzw. preußische König, Besitzer (meist durch Lehen) waren unterschiedliche adlige Familien,
zuletzt die Familie von Veltheim, die Bauern bewirtschafteten das Land im Pachtverhältnis.
Zur großen Volkszählung nach der Reichsgründung 1871 gab es am 1.12.1871 in der
Landgemeinde Glienicke 16 Wohngebäude für 27 Haushaltungen, in denen
insgesamt 173 Menschen lebten, nur 68 davon waren ortsgebürtig; der Zuzug war also
schon im Gange. Die räumliche Ausdehnung des Dorfes entsprach dabei in etwa der Darstellung auf
"Kiessling's Grosse Special-Karte" von 1888 (siehe weiter unten). Erst seit den 1920er
Jahren hat sich das Dorf jedoch zu einer der sogenannten "Speckgürtelgemeinden" mit starkem
Bevölkerungswachstum am Stadtrand der Reichshauptstadt Berlin entwickelt. Wie die überlieferten
Planungsdokumente zeigen, wurde diese Entwicklung offenbar langfristig durch kommunale Siedlungsplanung
vorbereitet und begleitet. Die Entwicklung und Vermarktung von Bauland bis hin zum baureif parzellierten
und erschlossenen Grundstück wurde damals in Abstimmung mit den Gemeinden durch privatwirtschaftliche
"Terraingesellschaften" oder (gemeinnützige) "Siedlungsgesellschaften" betrieben.
Zuerst die älteste bekannte Karte, auf der das Dorf Glienicke in seiner städtebaulichen Gestalt verzeichnet
ist, wenn auch stilisiert, so doch deutlich als Angerdorf erkennbar, Bestandteil des im Zeitraum
1767-1787 erstellten Schmettauschen Kartenwerks im Maßstab 1:50000. In
dem hier dargestellten Dorf lebten die genannten 79 Einwohner. Südöstlich der Ortslage im grün gefärbten
Feuchtgebiet unterhalb des "Kindels" ist der "Eichwerder" erkennbar, eine kleine
sandige Erhebung, auf der später eine Scheune (Feldscheune) und danach auch Wohngebäude errichtet wurden,
siehe dazu die weiteren Karten unten. Die Schmettausche Karte wird im Internet gemeinfrei zur Verfügung
gestellt über den BrandenburgViewer (https://bb-viewer.geobasis-bb.de).
Danach das winzige Dorf Glienicke und seine Umgebung um 1811 / 1857 in
einem Bildausschnitt aus Topographische Carte. Hundert Quadrat-Meilen um Berlin, Verlag
von Rücker & Püchler; alle Ortslagen in symbolhafter Darstellung, der Sandkrug zu Glienicke ist separat
eingetragen. Die Karte wurde 1857 publiziert, gezeigt wird aber wohl der Zustand um 1811. Das vollständige
Blatt in hoher Auflösung mit detaillierten Quellenangaben und weiteren Informationen ist zu finden auf der
hervorragenden privaten Website von © Michael Müller: Berliner Stadtplansammlung
unter https://berliner-stadtplansammlung.de, dort unter dem Register > Karten.
Die Ortslage "Zehrensdorf" (Zernsdorf / Zerndorf) zwischen Glienicke und Stolpe war kein Dorf sondern
ein Vorwerk zum Rittergut Stolpe. Für Glienicke wurden der Sandkrug und später Eichwerder (siehe auf den
Karten weiter unten) in den damaligen Gemeindestatistiken als separate "Wohnplätze" außerhalb des
Dorfes geführt und gezählt, so z.B. im "Gemeindelexikon für das Königreich Preußen" von 1873,
Band 2: Die Provinz Brandenburg, Seiten 32-33. Eichwerder war nach der damals üblichen Sprachregelung ein
"Abbau", ein abseits des Dorfes errichteter Einzelhof oder eine kleine Hausgruppe (siehe auch
hier: ►),
nach heutiger Terminologie gemäß BauGB eine Gebäudegruppe im "Außenbereich" mit besonderem
planungsrechtlichen Status.
Nach den statistischen Daten von 1805 bewirtschafteten in Glienicke 8 Ganzbauern
insgesamt 33 Hufen Land, das wären bei den gemäß Reglement von 1773 angenommenen 30 Morgen je
Hufe etwa 990 Morgen zu je 180 rheinländischen Quadratruten, also etwa 253 Hektar Agrarfläche (= Feldmark;
diese Zahl ist mit Vorsicht zu behandeln, weil hier nicht klar ist, ob noch von alten oder schon von den
regulierten neuen Hufenmaßen gesprochen wird). Dazu kommen Flächenanteile für Gehöfte, Wörden (Gartenland),
Allmende (Wiesen, Hutung, Wald, Anger, Gewässer, Wege mit Feldrainen) und wohl auch noch einige besondere
Flächen des Gutes. Für die 8 Bauernfamilien und 4 weitere Familien bzw. Personen (1 Einlieger, 3 Hirten)
wurden 10 Feuerstellen vermeldet. Besitzer des Dorfes waren die Gebrüder von Pannewitz (Pannwitz)
zu Stolpe.
Erst mit dem Separationsverfahren ab 1822 konnten genaue Flächenberechnungen auf
Basis von Landvermessungen erfolgen, verbunden mit Verschiebungen zwischen Schönfließ und Glienicke.
Erst seit Abschluss des Verfahrens (Separationsrezess im Jahr 1863, Akte
"37 Schönfließ 43" im BLHA) ist die Gemarkungsfläche von Glienicke rechnerisch und
zeichnerisch (Separationskarte) genau ermittelt. Mit der "Maaß- und Gewicht-Ordnung für
die Preußischen Staaten" von 1816 war festgesetzt, dass ab 1820 in öffentlichen Verhandlungen
nach Hufen nicht mehr gerechnet werden durfte; Agrarflächen wurden von da an nur noch in Morgen
und Quadratruten angegeben. In der Folge wurden für alle preußischen Provinzen amtliche
Flächenstatistiken erstellt und vom "Königlichen Statistischen Bureau" publiziert
(siehe Literaturangaben oben; zur Preußischen Maßordnung siehe hier:
►).
Wer sich für das Thema "Separation und Flurkarten in der Provinz Brandenburg" interessiert,
findet weitere Informationen einschließlich Erläuterung der alten brandenburgischen Agrarflächenmaße
am Beispiel eines kleinen Dorfes in der Niederlausitz hier:
►
Oben ein Ausschnitt aus Topographische Karte der Gegend um Berlin, Maasstab 1:100000,
Verlag der Simon Schopp'schen Hof-Landkartenhandlung, Berlin um 1875 (?); gemeinfrei
zur Verfügung gestellt unter "Creative Commons BY-ND 4.0 license" von der Stadtbibliothek
Boston / USA (Leventhal Map & Education Center at the Boston Public Library), zu finden unter
https://collections.leventhalmap.org/search/commonwealth:ht250810z
Die Karte zeigt die etwas weitere Umgebung von Glienicke mit einer großen Zahl an Angerdörfern, eine für die
Gegend typische Dorfform. Das interessanteste Detail ist jedoch die bereits eingetragene Trasse der
Nord-Bahn (hier wohl schon fertiggestellt, aber noch nicht in Betrieb), es handelt sich um eine der
ältesten topographischen Kartendarstellungen mit der Berliner Nordbahn, die 1877
in Betrieb genommen wurde und spätestens mit Einführung eines eigenen Poststempels in Glienicke als Namenszusatz
Verwendung fand. Gestempelt wurde dann mit Glienicke (Nordbahn). Noch bis in die 1930er
Jahre wurde in Druckerzeugnissen jedoch meist von Glienicke bei Hermsdorf bzw.
Glienicke bei Berlin-Hermsdorf gesprochen. Die ersten Ansichtskarten mit der Ortsbezeichnung
"Glienicke (Nordbahn)" tauchen um 1910 auf.
Die
Berliner Nordbahn war und ist bis heute eine Eisenbahnstrecke, die um
1844 von der Stralsunder Bürgerschaft initiiert und anfangs auch
finanziert wurde, Baubeginn 1872, betrieben bis 1880 durch die
Berliner Nord-Eisenbahn-Gesellschaft, nach Konkurs dieser
Gesellschaft Übernahme durch die Preußischen Staatseisenbahnen.
Finanziert wurde das Unternehmen unter anderem durch eine in den
Gründerjahren übliche Industriefinanzierung über Stammaktien /
Anteilsscheine zu je "Einhundert Thaler Preussisch Courant".
Links ist ein Quittungsbogen aus dem Familienbesitz
zu sehen über die Einzahlungen des Administrators Kupsch aus Meseberg
auf zwei solche Aktien vom 24. Januar 1872. Zwei Raten zu jeweils
60 bzw. 20 Taler waren bereits in bar eingezahlt beim "Vorschuss-
und Spar-Verein zu Gransee", die weiteren Zahlungen fehlen jedoch,
die Aushändigung der Aktien hat also nicht stattgefunden. Vermutlich
wurde der Aktienerwerb wegen Geldmangel abgebrochen. Klicken Sie auf
die Abbildung, dann sehen Sie eine Vergrößerung.
Startbahnhof der Berliner Nordbahn war der bereits seit 1842 bestehende
und 1876 als größerer Neubau errichtete Stettiner Bahnhof an der
Invalidenstraße in Berlin, unweit der Chausseestraße, 1950 in
Nordbahnhof umbenannt, eingetragen z.B. auf Straube's Plan von
Berlin (undatiert, um 1890, siehe direkt hier:
► ‒ ebenfalls Boston Public Library / USA, gleiche
Bedingungen wie oben). Die Bahntrasse ist auf dem Plan mit "Nordbahn"
bezeichnet. Die Geschichte der Nordbahn findet man ausführlich z.B. im
Kreiskalender Niederbarnim 1925, Seiten 44-45.
Es folgt ein Ausschnitt aus der Karte des Deutschen Reiches, Blatt 268 (Spandau)
im Maßstab 1:100000, 1893 herausgegeben vom Reichsamt für Landesaufnahme, als
Digitalisat publiziert von der David Rumsey Historical Map Collection, San Francisco / USA
(www.davidrumsey.com). Die Bahnlinie ist jetzt vollständig mit Bahnhöfen und Haltepunkten (H.P. Stolpe)
dargestellt. Sehr gut sichtbar wird das Größenverhältnis zwischen den Dörfern Glienicke und Stolpe,
dem ursprünglichen Sitz der Gutsherrschaft von Glienicke mit Kirchenpatronat, 1759 Vereinigung
des Gutes Stolpe samt Glienicke mit dem Gut Schönfließ (seit 1771 Familiensitz von Pannwitz, seit
1810 Familie von Veltheim, Rittergut). Patronatskirche bis 1945 blieb weiterhin Stolpe, die Kirche
in Glienicke war nur eine Predigtstätte, die als Tochterkirche von der Mutterkirche in Stolpe aus
bedient wurde. Auch die Relationen der unbewaldeten Agrarflächen sind interessant, siehe dazu die
geologischen Karten unten mit Darstellung der lehmhaltigen Böden. Glienicke war ein Winzling im
Vergleich mit Stolpe und Schönfließ.
Es folgen zwei Ausschnitte von Kiessling's Grosse Special-Karte der Umgegend von Berlin
im Maßstabe 1:75000, Verlag von Alexius Kiessling in Berlin, zuerst die Ausgabe 1888,
danach 1897, beide Karten wieder vollständig in hoher Auflösung und mit weiteren
Quellenangaben zu finden auf der Website von © Michael Müller "Berliner Stadtplansammlung"
unter https://berliner-stadtplansammlung.de, dort unter dem Register > Karten.
Die städtebauliche Entwicklung von Glienicke ist deutlich erkennbar, im Bereich zwischen Oranienburger
Chaussee und Schönfließer Straße wurden die ersten landwirtschaftlichen Nutzflächen parzelliert, hier
begannen die großflächigen Ortserweiterungen außerhalb des alten Dorfes. Für den Zeitraum 1875-1877
liegen im BLHA die ersten Akten zur "Parzellierung von Grundstücken in der Gemeinde Glienicke"
vor (Signatur "41 Schönfließ 42"); der zeitliche Zusammenhang mit dem Bau der Nordbahn
ist offensichtlich. Noch 1888 befanden sich gemäß Karte in diesem Bereich nur zwei Einzelhöfe und
eine Scheune ("Sch.", Feldscheune). Der Wohnplatz (Forstregimenterhaus) "Spandauer Pfort" zwischen Glienicke
und Schönfließ gehörte bis 1913 zum Gutsbezirk Stolpe, danach zu Schönfließ. Mit "Pfort"
wurde die Pforte = Furt durch das sumpfige Kindelfließgebiet auf dem Weg nach Spandau benannt, auf
einigen Karten auch falsch als "Fort" bezeichnet ‒ eine Verteidigungsstellung hat
es hier nie gegeben. Zum Vergleich siehe auch den Ortsnamen Himmelpfort ‒ ein Kloster als
Pforte in den Himmel. Das Forstregimenterhaus war das Dienst- und Wohnhaus / Gehöft des gutsherrlichen
Forstverwalters, des Forstregimenters. Im "Ortschafts-Verzeichnis ..." von 1817 wird der
Wohnplatz als "Spandowsche Pforte" (Ziegelei und Forsthaus) geführt, die 11 Bewohner waren
eingepfarrt in Glienicke, ab 1913 in Schönfließ (Mitteilung im Amtsblatt der Regierung zu Potsdam 1913,
Seite 199). 1895 gab es hier 1 Wohngebäude und 9 Einwohner. Neben der Straßenkurve hinter der ehemaligen
Furt und jetzigen Brücke ist ein Denkmal eingetragen ("Denkm."), es erinnert noch heute an
Achaz von Veltheim, der hier am 3.6.1864 im Alter von 11 Jahren bei einem Reitunfall den Tod fand.
Die statistischen Daten für die Landgemeinde Glienicke (Regierungsbezirk
Potsdam, Kreis Niederbarnim, Amtsbezirk Schönfließ) zur ersten Karte liefert das Gemeindelexikon für die
Provinz Brandenburg von 1888 (siehe Literaturangabe oben): Gesamtfläche des
Gemeindegebietes = 379 ha (davon 145 ha Ackerland, 62 ha Wiesen, 142 ha Holzungen),
2 Wohnplätze (Dorf und Sandkrug) mit 23 Wohngebäuden für insgesamt 49 Haushaltungen
mit zusammen 218 Einwohnern (am 1. Dezember 1885). Außerdem gab es noch den
Gutsbezirk Glienicke (Rittergut Glienicke, Herrschaft von Veltheim, seit 1810 zum
Gut Schönfließ gehörend) mit einer Gesamtfläche von 88 ha und einem Wohnplatz (wohl
Eichwerder ?), jedoch ohne bewohnte Gebäude. Insgesamt gehörten somit 467 ha zur
Gemarkung Glienicke.
Der
Sandkrug wird auf der Karte von 1897 nicht mehr extra bezeichnet,
weil das Gebäude zu diesem Zeitpunkt bereits abgebrochen war, erst 1898 wurde ein
Neubau an gleicher Stelle errichtet, jedoch nicht mehr in der alten Funktion als
Post- und Relaisstation bzw. später als Omnibusstation (Pferdeomnibus, Pferdewagen
im Regelbetrieb) sondern jetzt als großes zweigeschossiges Gasthaus mit Saalanbau.
Bereits 1895 war eine separate Postagentur an der Oranienburger Straße eröffnet
worden. Wie man sieht, wurden die Karten von Kiessling sehr genau aktualisiert.
Links ist das große Sandkrug-Gebäude von 1898 an
der Oranienburger Chaussee / Ecke Hauptstraße im Zustand um 1910-1920
(?) zu sehen auf einer Ansichtspostkarte. Ende der 1920er Jahre ist es noch
einmal um einen weiteren Saalanbau bzw. um eine Verlängerung des bestehenden
Saaltraktes nach hinten erweitert worden. Im Band 1 der Ortschronik von
Joachim Kullmann findet man auf Seite 123 ein
entsprechendes Bild mit dieser Erweiterung, die etwa die Dimension des vorderen
zweigeschossigen Gebäudetraktes hatte. Nach seiner Grundfläche und Länge war es
danach das mit Abstand größte Gebäude in Glienicke. Dies war der endgültige
Zustand des Sandkrug-Gebäudes bis zu seinem Abbruch im Jahr 1964. Die Postkarte
wird angeboten auf der für Sammler sehr interessanten Website ©
Ansichtskarten-Center (www.ansichtskarten-center.de ‒
abgerufen am 23.6.2024), die Wiedergabe der verkleinerten Abbildung hier auf
Fotografie-Architektur.de erfolgt allein aus privatem architekturhistorischen
Interesse ohne kommerzielle Absichten.
Die statistischen Daten für die Landgemeinde Glienicke (Regierungsbezirk
Potsdam, Kreis Niederbarnim, Amtsbezirk Schönfließ) zu dieser Zeit liefert das Gemeindelexikon für die
Provinz Brandenburg von 1898 (siehe Literaturangabe oben): Gesamtfläche des
Gemeindegebietes = 380,8 ha, 1 Wohnplatz (Dorf) mit 34 bewohnten
Wohnhäusern für insgesamt 80 Haushaltungen mit zusammen 326 Einwohnern
(am 2. Dezember 1895). Außerdem gab es noch den Gutsbezirk Glienicke (zum Gut Schönfließ)
mit einer Gesamtfläche = 87,9 ha und einem Wohnplatz (Eichwerder ?), jedoch ohne bewohnte
Gebäude. Die Gemarkung Glienicke hatte also 1898 zusammen mit dem später eingemeindeten Gutsbezirk insgesamt
eine Fläche von 468,7 ha = 4,687 km². Noch um 1920 trennte der weitgehend unbesiedelte
Gutsbezirk ("Kindelwald") das östliche Gemeindegebiet (Glienicke-Ost, "Schulzenhöhe")
vom Hauptteil des Ortes; siehe dazu die Karte mit Erläuterungen weiter unten.
Es folgt zweimal das Dorf im Zustand um (kurz vor) 1900, die auf der nächsten Webseite G3 beschriebenen
und im Foto gezeigten Bauernhäuser sind beide eingetragen. Bildquelle: Karte des Deutschen Reiches /
Topographische Karte 1:25000, Montage der Messtischblätter 3345 (Hennigsdorf, links)
und 3346 (Schönerlinde, rechts), Königlich Preußische Landes-Aufnahme 1901,
herausgegeben 1903. © für das erste Bild (Montage): Österreichisches Staatsarchiv
Wien in Verbindung mit Arcanum Maps Budapest (https://maps.arcanum.com/de ‒ Bildausschnitt mit
Glienicke siehe direkt hier:
►);
beide Blätter findet man in verschiedenen Ausgaben auch beim © Leibnitz-Institut für Länderkunde in Leipzig
(https://ifl.wissensbank.com - von hier stammt das untere Bild) oder beim BrandenburgViewer (https://bb-viewer.geobasis-bb.de).
Es folgt aus dem gleichen Zeitraum ein vergrößerter Bildausschnitt aus der
Karte von Berlin und Umgebung in 12 Blättern, Blatt II
Oranienburg, Königlich Preußische Landesaufnahme 1901,
herausgegeben 1904, Maßstab 1:50000. Vermutlich wurde
das Blatt auf Basis des vorstehenden Messtischblatts 3345 im Maßstab
1:25000 gezeichnet. Auf beiden Karten existiert die Hattwichstraße als
Verbindung zwischen Dorfanger (Hauptstraße) und Schönfließer Straße noch
nicht, man sieht lediglich einen Feldweg hinter dem Bauernhof Müller
(Fotos siehe nächste Seite > G3) bis zur Schönfließer Straße, der Weg
endet bzw. beginnt aber erst hinter den Hofgrundstücken. Die
Nachbargrundstücke Gartenstraße 17 (Müller) und 18 (Köster) waren zu
dieser Zeit noch nicht durch eine Straße oder einen Weg getrennt, das
neue nördliche Wohngebiet hatte somit noch keine direkte Anbindung an
das historische Ortszentrum. Dieser Abschnitt der Hattwichstraße wurde
erst zwischen 1903 und 1906 gebaut. Auch die Teilung des Dorfangers
zwischen Gartenstraße und Hauptstraße durch Verlängerung der späteren
Hattwichstraße bis zur Hermannstraße ist auf der Karte noch nicht
vorhanden, erst auf dem Parzellierungsplan von 1906 (siehe weiter unten)
war dieses kurze Verbindungsstück geplant und wurde bald danach auch
so ausgeführt. Der neue Abschnitt der Hattwichstraße und die damit
verbundene Trennung der beiden Hofgrundstücke ist dagegen 1906 bereits
als Bestand dargestellt.
Was sich hinter dem Laboratorium nordöstlich des Dorfes Glienicke verbirgt, konnte bisher
nicht ermittelt werden. Es bezeichnet ein kleines Grundstück am Waldrand mit einem Einzelgebäude, nach
heutiger Situation in etwa zu verorten im Quartier zwischen Heidelberger Straße / Clara-Zetkin-Straße /
Budapester Straße / Charlottenstraße. Hinweise zu diesem Objekt werden sehr gern entgegengenommen,
Kontaktdaten siehe oben.
Die Bezeichnungen D.S.M. auf der Karte oben bzw. S.M. auf den folgenden
Karten bedeuten Dampf-Säge-Mühle bzw. Säge-Mühle, eine vorschriftsmäßige Signatur gemäß Zeichenerklärung
von 1898 (siehe Literaturangabe oben). Es handelte sich dabei um die Sägemühle des Holzhändlers August Schulze
(siehe unten zu Schulzenhöhe), sie befand sich auf seinem Grundstück an der Oranienburger Chaussee zwischen
Schönfließer Straße und Hauptstraße.
Bildquelle: Wikipedia, gemeinfrei, mit Verweis auf die Deutsche Fotothek Dresden für die berichtigte Ausgabe von 1912/1913
(https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Karte_von_Berlin_und_Umgebung_(1913)_in_12_Bl%C3%A4ttern_II_Oranienburg.jpg)
‒ unter dieser Adresse sind alle 12 Kartenblätter der "Karte von Berlin und Umgebung" in hoher
Auflösung zu finden, teilweise sogar in verschiedenen Ausgaben. Klicken Sie auf das folgende Bild, dann sehen
Sie die Karte in voller Größe (Achtung: große Bilddatei), klicken Sie dann nochmals zur Vergrößerung. Jetzt
sehen Sie auch die Ziegelei bei Lübars zu den auf der nächsten Seite G3 fotografierten Ziegeln (Sockelmauerwerk
zur Scheune Müller).
Zum Vergleich und zur Verdeutlichung des Ortswachstums direkt anschließend oben wiederum ein vergrößerter
Bildausschnitt aus der Karte von Berlin und Umgebung in 12 Blättern, Blatt II Oranienburg,
Preußische Landesaufnahme 1901, berichtigt 1919, Maßstab 1:50000. Es handelt sich wohl um eine erst
nach 1920 herausgegebene Ausgabe, auf der Karte findet sich dazu jedoch keine Angabe; die
neue Grenze der Stadt Berlin (Stadtgrenze zum 1920 gebildeten "Groß-Berlin") ist jedenfalls
schon eingetragen. Bildquelle: Wikipedia / Wikimedia (siehe oben), gemeinfrei; auch bei
Michael Müller unter https://berliner-stadtplansammlung.de (siehe oben).
Um
1920 waren weite Teile der Glienicker Gemarkung parzelliert, das kleine östliche Siedlungsgebiet
"Schulzenhöhe" aber immer noch durch den Gutsbezirk (hier: Kindelwald)
vom zentralen und westlichen Gebiet getrennt. Die Verbindungsstraße zwischen Dorfgebiet und
Schulzenhöhe (heutige Karl-Liebknecht-Straße) wurde erst 1920 fertiggestellt. Im BLHA gibt es
dazu die Akte mit der Signatur "37 Schönfließ 174" aus dem Zeitraum 1918-1920 und der
Bezeichnung "Unterstützung des Baron von Veltheim beim Ausbau des Verbindungsweges vom
Dorf Glienicke bis zur Kolonie im Kindelgebiet und Schildow". Zum "Verkauf von Grundstücken
zum Bau der Kindelwald-Siedlung" findet man im BLHA aus dem Zeitraum 1908-1909 die Akte
"37 Schönfließ 195", ab dieser Zeit ist das kleine Siedlungsgebiet entstanden ‒
eine sandige, ehemals bewaldete und dreiseitig von Feuchtwiesen mit dem Kindelfließ umgebene
Erhebung, von den Glienickern benannt nach dem Schneidemühlenbesitzer und Holzhändler August
Schulze, dem das Land gehörte. Auf einer Ansichtskarte von 1898 (siehe links, Ausschnitt) ist
seine Dampfschneidemühle in Glienicke abgebildet, sie befand sich auf seinem
Grundstück an der Oranienburger Chaussee zwischen Schönfließer Straße und Hauptstraße, siehe
die drei vorstehenden Karten (D.S.M. bzw. S.M.). In den Akten im BLHA wurde die Siedlung
Schulzenhöhe als "Kolonie im Kindelgebiet" oder "Kindelwald-Siedlung"
bezeichnet, was später zu Verwechslungen führte; auf der Karte oben ist sie separat mit
"zu Glienicke" überschrieben. Die erforderlichen Parzellierungs- und Fluchtlinienpläne
der Gemeinde lagen bereits seit 1904 vor. August Schulze wurde im "Adressbuch der
Dampfkesselbesitzer" von 1897 auf Seite 55 geführt mit 1 Dampfkessel für seine Schneidemühle.
Der ehemals zum Gutsbezirk gehörende bewaldete mittlere Bereich (Kindelwald) wurde um 1930 durch die
Familie von Veltheim verkauft und durch eine Siedlungsgesellschaft parzelliert und vermarktet, das neu
entstandene Wohngebiet in dieser Baulücke wird seitdem "Kindelwaldsiedlung"
genannt mit der Kindelwaldpromenade, es gehörte nunmehr zur Gemeinde. Der Gutsbezirk Glienicke wurde
aufgrund des Gesetzes vom 27.12.1927 im Zeitraum 1928-1930 aufgelöst (Akte "37 Schönfließ 166"
im BLHA). Im Archiv der Gemeinde Glienicke ist ein Parzellierungsplan von 1936 überliefert, auf dem die
bereits verkauften Grundstücke markiert sind (Parzellierungsplan mit Verkaufsstand März 1936,
Siedlungsbüro-Kindelwald, Glienicke bei Berlin-Hermsdorf, Hohenzollernstraße 38); zu dieser Zeit
waren noch etwa 60% der Grundstücke im Angebot.
Die statistischen Daten für die Landgemeinde Glienicke (Regierungsbezirk
Potsdam, Kreis Niederbarnim, Amtsbezirk Glienicke) liefert das Gemeindelexikon für den Freistaat Preußen,
Provinz Brandenburg von 1932 (Bevölkerungsstand: 1925, Gebietsstand: 1931, siehe
Literaturangabe oben): Flächengröße 1931 = 458,6 ha = 4,586 km², zwei Wohnplätze
(Dorf und Eichwerder) mit zusammen 301 bewohnten Wohnhäusern für insgesamt
602 Haushaltungen mit zusammen 1.823 Einwohnern (am 16.6.1925). Der Gutsbezirk Glienicke
war 1931 bereits aufgelöst und eingemeindet. Die Landgemeinde Glienicke (= gesamte Gemarkung) war inzwischen
ein eigener Amtsbezirk und nicht mehr zum Amtsbezirk Schönfließ gehörig. Abweichend davon gibt das
Historische Ortslexikon für Brandenburg (Literaturangabe oben) die Einwohnerzahl für 1925 mit
1.942 an, davon Dorf: 1.911, Eichwerder: 31.
Nach
dem Ende des Ersten Weltkrieges, besonders aber in den Jahren etwa um 1925
bis 1939, entstanden zunehmend schlichte und sachliche Wohngebäude,
meist errichtet als Einfamilienhäuser. Die Zeit der überladenen
Stuckfassaden war vorbei, bevorzugt wurden jetzt einfache Putzfassaden.
Ein Beispiel für diesen vielfach in Glienicke anzutreffenden Haustyp bietet
das Einfamilienwohnhaus Gartenstraße 13 am Dorfanger, links
zu sehen auf einer Ansichtspostkarte vermutlich aus den späten 1930er Jahren
(Bildausschnitt, verkleinert). Das Haus ist typisch für die Architektur in
der stark durch Parzellierung und Siedlungsbau geprägten Zwischenkriegszeit,
in der die Stadtrandgemeinde Glienicke ein erhebliches Gebäude- und
Einwohnerwachstum zu verbuchen hatte. Vergleichbare Bauformen entstanden
noch bis in die späten 1950er Jahre. Meist sind diese Gebäude inzwischen
durch Modernisierungen und Umbauten verändert und kaum noch als Vertreter
ihrer Bauzeit erkennbar.
Im Hintergrund sieht man auf dem Foto noch vollkommen frei bis zum
Horizont ansteigend das "Glienicker Feld", damals im Eigentum
der Bauernfamilie Müller, Gartenstraße 17, und durch diese bewirtschaftet.
Wie man dem weiter unten gezeigten und auf Basis der alten Flurkarten
entworfenen Fluchtlinienplan von 1906 entnehmen kann, wurde das Grundstück
Gartenstraße 13 aus dem Müller'schen Besitz (Basisflurstück 97)
herausgetrennt und separat verkauft. Beim Blick auf den Fluchtlinienplan
ist außerdem interessant, dass dieses Haus nicht wie sein älteres
Nachbargebäude Gartenstraße 12 dicht an der Straßengrenze errichtet
wurde (wie im Altbestand der brandenburgischen Dörfer üblich) sondern
etwas zurückgesetzt. Ursache dafür war offenbar die inzwischen zu
beachtende Baufluchtlinie mit einem Mindestabstand von 4,0 Metern zur
straßenseitigen Grundstücksgrenze.
Es folgt das zentrale und westliche Siedlungsgebiet im Zustand um 1930. Zu dieser
Zeit hatte Glienicke fast 3.000 Einwohner. Wie der Kartenvergleich zeigt, gab es in der Zeit zwischen
1900 und 1940 einen extremen Einwohnerzuwachs mit einer entsprechenden städtebaulichen Entwicklung:
1895 - 326 Einwohner und 1939 - 5.187 Einwohner. Zur Entwicklung des
Baubestandes liegen folgende Angaben vor: 1900: 28 Häuser und 1931: 301 Wohnhäuser
(je nach Quelle unterschiedliche Angaben). Der Bestand an Wohngebäuden hat sich im Zeitraum also in etwa
verzehnfacht, die forcierte und weit vorauseilende Flächenparzellierung machte es möglich.
Bildquelle: Karte des Deutschen Reiches / Topographische Karte 1:25000, Messtischblatt 3345 (Hennigsdorf),
herausgegeben von der Preußischen Landesaufnahme 1903, berichtigt 1919, einzelne Nachträge 1931,
unveränderter Nachdruck der deutschen Wehrmacht 1945, Armeekartenstelle (mot.) 580 III. 45.
Die deutsche Wehrmacht verfügte über mobile (motorisierte) und drucktechnisch voll ausgestattete
Divisionskartenstellen mit diversen Unterabteilungen, die besonders für den Rückzugsraum um Berlin noch bis
kurz vor der Kapitulation aktuelle Karten druckten; siehe dazu oben die Literaturangabe. Die hier gezeigte
Karte wurde von der Armeekartenstelle 580 im März 1945 gedruckt, diese Kartenstelle war aktiv vom 1.9.1939
bis 30.4.1945. Als Digitalisat wird die Karte unter anderem bereitgestellt durch die University of California
Library (U.C. Berkeley Libraries), Map Collection, Full Collection Name: WWII Captured German Military Maps
(erbeutete deutsche Militärkarten), zu finden unter https://digicoll.lib.berkeley.edu/record/112517#?
(dort links die Blatt-Nr. 3345 und 3346 wählen).
Interessant ist auch die folgende Karte der "Umgebung von Berlin" aus dem Jahr
1940, topographische Karte des Deutschen Reiches im Maßstab 1:100000, Reichsstraßenberichtigung
1942, herausgegeben vom Reichsamt für Landesaufnahme, Berlin 1942. Das vollständige Kartenblatt
ist wieder zu finden auf der Website von © Michael Müller "Berliner Stadtplansammlung" unter
https://berliner-stadtplansammlung.de, dort unter dem Register > Karten. Die Karte zeigt die finale Trasse
der nach Prüfung mehrerer Varianten "zum Bau freigegebenen Reichsautobahn"
(Bezeichnung gemäß Planzeichenerklärung auf der Karte); der Krieg hat den Baubeginn verhindert. Das
Kindelwaldgebiet zwischen Ortszentrum und Schulzenhöhe ist immer noch weitgehend unbebaut. Das Gerücht
von der angeblichen Planung der Kindelwaldpromenade als Autobahnzubringer hat Joachim Kullmann im
zweiten Band seines "Glienicker Bilderbogen" (Seiten 21-23) zwar verbreitet, im dritten Band
(Seiten 190-191) aber schon wieder relativiert. In beiden Fällen handelte es sich offenbar nur um die
Skizzen von Planungsvarianten auf der Suche nach der optimalen Trasse mit einer günstigen Anbindung
an das Berliner Stadtgebiet. Glienicke hat insoweit Glück gehabt.
Dass es um die Autobahntrasse einige Verwirrung gegeben hat, verwundert nicht, denn auf einigen
nichtamtlichen Karten aus der gleichen Zeit war die Autobahn bereits als fertiggestellt (!) eingetragen,
mit einem Autobahnkreuz zwischen Glienicke und Schönfließ sowie der südlichen Fortsetzung zwischen
Hermsdorf und Lübars bis zur Anbindung an die Reichsstraße 96 (R 96) bei Wittenau (bis 1905 Dalldorf),
so z.B. 1940 auf der JRO-Straßenkarte, Sonderblatt Berlin. Auch im Kreiskalender Niederbarnim 1940
wurde auf den Seiten 60-62 ausführlich vom "Schönfließer Kleeblatt" berichtet incl. Skizzen,
Baubeginn sollte "voraussichtlich 1940" sein, zur Drucklegung des Kalenders 1939 waren diese
Planungen offenbar noch in der Diskussion.
Unmittelbar nach Kriegsende 1945 begannen Aktivitäten zur Grenzverschiebung zwischen
Berlin und Brandenburg. Der Archivar und Historiker Wolfgang Blöß (siehe Literaturverzeichnis) berichtet
dazu sinngemäß: Die ersten Bemühungen von Umlandgemeinden um Anschluss an Berlin versuchten noch die
ungeregelte und ungefestigte Nachkriegssituation zu ihren Gunsten zu nutzen. Schon am 28. Mai 1945
beschäftigte sich der Magistrat von Berlin mit einem Eingemeindungsantrag, den die Gemeinde Glienicke
(Kreis Niederbarnim) eingereicht hatte. Die Alliierte Kommandantur hatte ihr Einverständnis erteilt.
Der Magistrat beschloss die Eingemeindung, die spätestens seit 1928, als der Berliner Oberbaurat
Koeppen eine solche Maßnahme angeregt hatte, auf der Tagesordnung stand. Diese kam jedoch
nicht zustande.
Am 29. März 1947 stellte das Bezirksamt Reinickendorf beim Magistrat den Antrag auf Eingemeindung von
Stolpe-Dorf und Stolpe-Süd und schloss die Gemeinde Glienicke in den Antrag ein. Die Stadt Berlin
wollte den mit Frohnau nach Brandenburg hineinragenden Keil durch die Eingemeindung von Stolpe mit
der Stolper Heide im Westen auflösen mit dem Ziel, die Havel an dieser Stelle als natürliche Grenze
gegen Brandenburg zu bestimmen. Die Eingemeindung von Glienicke im Osten sollte der Arrondierung
der Stadtgrenze dienen.
Die arbeitsfähigen Einwohner von Glienicke arbeiteten nach 1945 fast alle in Berlin. Die Gemeinde
war wirtschaftlich völlig auf die Stadt ausgerichtet. Eine Eingemeindung hätte also den natürlichen
Gegebenheiten entsprochen. Hinter dem Begehren stand auch die Absicht zu einer Grenzbegradigung
und zur Beruhigung der Lage an der Grenze. Ein Zipfel der Gemarkung Glienicke nämlich ragte mit
der Straße "Am Sandkrug" in den französischen Sektor hinein. Dort war es verschiedentlich
wegen der unübersichtlichen Verhältnisse zu "unangenehmen Auseinandersetzungen" zwischen
französischen und sowjetischen Truppenteilen gekommen. Der Magistrat wurde der Pflicht zu einer
Stellungnahme enthoben. Die 32. Sitzung des Rates der Bezirksbürgermeister am 23. Januar 1948
empfahl, den Eingemeindungsvorgang nicht weiter zu betreiben. Die Grenzen zur Gemeinde Glienicke
blieben unverändert.
Es folgt ein Auszug aus dem Stadtplan von Berlin 1946, Verwaltungsbezirk Reinickendorf,
Maßstab 1:20000, Auflage Juni 1946, herausgegeben durch das Amt für Vermessung Berlin-Reinickendorf. Das
vollständige Kartenblatt in hoher Auflösung und mit sehr interessanten Hintergrundinformationen ist zu
finden auf der Website von © Michael Müller "Berliner Stadtplansammlung" unter
https://berliner-stadtplansammlung.de, dort unter dem Register > Karten. Für Glienicke wurde die
vor dem Krieg angestrebte städtebauliche Entwicklung samt Straßennamen eingetragen, ohne Differenzierung
zwischen Bestand und Planung, eventuell vor dem Hintergrund der
beschriebenen Eingemeindungsbestrebungen. Auch die meisten Straßennamen sind falsch, die große Welle der politisch
motivierten Straßenumbenennungen im sowjetisch besetzten Gebiet zur Tilgung aller Namen mit Bezug auf
Preußen hatte in Glienicke bereits stattgefunden; siehe Kullmann, Band 3, Seite 215: "Plan der
Gemeinde Glienicke (Nordbahn) Kreis Niederbarnim" mit Stand März 1946. Die Hauptstraße hieß
jetzt Leninstraße, usw.
Im Vergleich zeigt die folgende Karte von 1952 nur den Bestand, weitgehend
real, im Eckbereich Breitscheidstraße / Schönfließer Straße aber wohl nicht ganz korrekt (?).
Bildquelle: Topographische Karte 1:25000, Herausgegeben von der Amtlichen Anstalt für
Kartographie und Kartendruck, Berlin SW 68, 1952. Auch dieses Kartenblatt ist vollständig,
in hoher Auflösung und mit sehr interessanten Hintergrundinformationen zu finden auf der
Website von © Michael Müller "Berliner Stadtplansammlung" unter
https://berliner-stadtplansammlung.de, dort unter dem Register > Karten.
Die offizielle Ortsbezeichnung auf allen topographischen Karten und Stadtplänen
aus dieser Zeit ist weiterhin Glienicke im Kreis Niederbarnim, bis 1993 existiert
keine einzige gedruckte topographische Karte mit der Ortsbezeichnung Glienicke/Nordbahn.
Mit der Verwaltungsreform in der DDR 1952 wurde die Gemeinde Glienicke dem Kreis Oranienburg im neu
gebildeten Bezirk Potsdam zugeordnet; zu dieser Zeit war der "Wohnplatz Eichwerder" auch
noch bewohnt. Aus dem Kreis Oranienburg wurde 1990 der Landkreis Oranienburg und 1993
(Kreisgebietsreform) in Verbindung mit dem Landkreis Gransee der neue Landkreis Oberhavel.
Die
Bezeichnung auf dem Poststempel des Glienicker Postamts in der Hauptstraße 57
lautete unverändert: Glienicke (Nordbahn), wohl seit Eröffnung
der Postagentur 1895 in der Oranienburger Straße, diverse Poststempel-Bildbeispiele
aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg mit dieser Ortsbezeichnung findet man im
Internet, besonders auf den Seiten der Postkartensammler. Nach dem
"Amtlichen Fernsprechbuch für den Bezirk der Reichspostdirektion Berlin"
(Ausgabe 1940) hatte "Glienicke über Berlin-Hermsdorf"
drei Poststellen: Glienicke Hauptstraße 57, Glienicke (Ost) Hohenzollernstraße
154-155 und Glienicke (West) Hattwichstraße 38-39. Das große neue Postamt in
der Hauptstraße wurde 1937 eröffnet, links auf einer Ansichtskarte um 1940,
damals noch ein vollkommen freistehendes Gebäude auf einem Einzelgrundstück
am nördlichen Rand der Hauptstraße (auf der topograph. Karte oben gut
erkennbar), im Hintergrund das "Glienicker Feld".
Die
Gemeinde Glienicke (Nordbahn) war integriert in das Berliner Telefonnetz,
hatte zuletzt 6-stellige Berliner Rufnummern und wurde im Berliner
Fernsprechbuch geführt. Das zuständige Vermittlungsamt war bis 1920
Tegel im Kreis Niederbarnim, danach Berlin-Tegel im neuen Berliner
Verwaltungsbezirk Reinickendorf. Durch die Bildung von "Groß-Berlin"
im Jahr 1920 kamen das Amt Tegel und damit auch die Glienicker
Telefonanschlüsse nach Berlin. Noch bis Sommer 1949 liefen Telegramme
und Briefe über Reinickendorf im französischen Sektor, Glienicke war
jetzt eine Postexklave des Französischen Sektors von Berlin in der
Sowjetischen Besatzungszone (SBZ), Zustellpostamt für Glienicke war
weiterhin Berlin-Hermsdorf, das Postamt Glienicke war eine Filiale von
Hermsdorf bzw. Reinickendorf. Gestempelt wurden jedoch die im Postamt
Glienicke aufgegebenen Postsachen mit "Glienicke (Nordbahn)",
daran hat sich auch nach Gründung der DDR und der postalischen Trennung
nichts geändert, links ein Beispiel vom 9.7.1952. Alle Telefonleitungen
zwischen Westberlin und Ostberlin sowie dem DDR-Gebiet rund um Westberlin
wurden am 27.5.1952 von der DDR getrennt. Telefonisch war Glienicke jetzt
über das Ortsnetz Mühlenbeck im Amt Oranienburg erreichbar und hatte
4-stellige Telefonnummern. Weitere interessante Hinweise dazu findet
man z.B. bei Reinhard Krüger, siehe Literaturangabe oben.
Wann der Zusatz "(Nordbahn)" vom Glienicker Poststempel verschwand, ist nicht mehr zu
ermitteln, die aus den Jahren 1985 und 1987 vorliegenden Poststempel sind nur noch bezeichnet
mit Glienicke 1405 (Ortsname und Postleitzahl). Da diese Postleitzahlen für
das Gebiet der DDR erst 1964 eingeführt wurden, kann der Wechsel nicht früher erfolgt sein.
Im Postleitzahlenverzeichnis der DDR von 1964 erscheint die Gemeinde unter
"1405 Glienicke (Nordbahn)" ‒ genau in dieser Schreibweise. Im Vorwort
zum Verzeichnis wird darauf hingewiesen, dass "kursiv gedruckte Zusätze bei Angabe der
Postleitzahl entfallen können", es handelte sich also nur um inoffizielle Zusätze der
Deutschen Post zur besseren Orientierung, im Verzeichnis vielfach verwendet auch bei anderen
Ortsnamen. Während der DDR-Zeit hat sich die Gemeinde Glienicke intern "Glienicke/Nordbahn"
genannt, z.B. auf Drucksachen für die Bevölkerung, wie die folgenden Bildbeispiele zeigen. Auf dem
offiziellen Briefpapier und dem Amtssiegel nannte sie sich jedoch Gemeinde Glienicke
bzw. Rat der Gemeinde Glienicke, ohne den Zusatz "Nordbahn", so wurde sie
auch in den meisten amtlichen Verzeichnissen der DDR geführt. "Glienicke" war immer der
amtliche Ortsname, "Nordbahn" ein nichtamtlicher Zusatz zur räumlichen Orientierung bzw.
Unterscheidung von anderen gleichnamigen Orten in Textdokumenten ohne kartographische Darstellung.
Der Inhalt der Broschüre rechts zum Verhalten im Grenzgebiet kann durch Anklicken als PDF geöffnet
und gelesen werden, als historisches Dokument sehr aufschlussreich. Die damalige Bürgermeisterin
Ingrid Reiner war seit 1.9.1985 im Amt.
Nach der letzten Kommunalwahl in der DDR am 6.5.1990 hat die neu gewählte Gemeindevertretung
Glienicke in ihrer Hauptsatzung vom 27.6.1990 (das entscheidende Dokument zur Führung des
Gemeindenamens) ganz ohne weitere Erklärung den Ortsnamen "Glienicke/Nordbahn" verwendet,
aus dem nichtamtlichen Zusatz wurde damit stillschweigend ein offizieller Namensbestandteil.
Hintergrund war wohl die Kommunalverfassung der DDR vom 17.5.1990, dort heißt es in § 9 Abs.1:
"Die Gemeinden führen ihre bisherigen Namen." und in Abs.3: "Die Gemeinden können
auch sonstige überkommene Bezeichnungen weiterführen.". Die Gemeindevertreter sind 1990 davon
ausgegangen, dass der offizielle Gemeindename auch vor 1990 schon "Glienicke/Nordbahn"
war und "Nordbahn" nicht nur eine "sonstige überkommene Bezeichnung", also
ein nichtamtlicher Zusatz. Dabei ist es dann geblieben.
Die Karte oben zeigt einen Ausschnitt aus der Kreiskarte Oranienburg im Maßstab
1:100000, ein internes Arbeitsmaterial für Behörden "Nur für den Dienstgebrauch",
fertig bearbeitet am 1.4.1974 (K. Tschammer) und herausgegeben vom Rat des
Kreises Oranienburg ‒ Kreisbauamt, Abteilung Stadt- und Dorfplanung; Handzeichnung,
Vervielfältigung als Lichtpause. Auch hier erscheint der Ortsname von Glienicke ohne Zusatz.
Welche topographische Karte für diese Zeichnung als Basis gedient hat, bleibt unklar, die
Zeichnung enthält einige Merkwürdigkeiten. Das zentrale Ortsgebiet von Glienicke und der
Bereich Schulzenhöhe sind immer noch durch unbesiedelten Wald getrennt, die Kindelwaldsiedlung
dazwischen existiert nicht (oder ist immer noch weitgehend durch unbebaute Grundstücke und
Wochenendnutzung geprägt ?). Schon 1971 hatte Glienicke aber mehr Einwohner als 1988
(1971: 4.930, 1988: 4.876). Auch interessant ist die Trasse der heutigen Autobahn A111
bis Stolpe-Süd, die zu dieser Zeit noch gar nicht existierte. Baubeginn war auf DDR-Seite
erst 1979, Westberlin schaffte den Anschlussbau gerade noch 1987.
Nur der Vollständigkeit halber folgt noch ein Bildausschnitt aus dem Exemplar der
DDR-Karte von 1981, inhaltsarm und peinlich. Bildquelle
im eigenen Bestand: Topographische Karte 1:25000 (Ausgabe für die Volkswirtschaft),
0808-21 (Glienicke/Nordbarnim), herausgegeben vom Ministerium des Innern der DDR,
Verwaltung Vermessungs- und Kartenwesen, Stand der Unterlagen: 1981.
Die Kartenausgaben "für die Volkswirtschaft" (AV) wurden frei über den Buchhandel
verkauft, sie waren vorsätzlich verfälscht und verzerrt (siehe Literaturangabe oben). Da
Glienicke eine Grenzgemeinde war, durften der Grenzverlauf und sein Hinterland aus
Sicherheitsgründen (Fluchtgefahr) für das Volk nicht publiziert werden, die Ortslage von Glienicke
westlich von Staerkstraße, Hattwichstraße, Hermannstraße sowie südlich von Karl-Marx-Straße,
Jungbornstraße usw. ist daher einfach abgeschnitten und nicht dargestellt. Der westliche
Dorfangerbereich samt Dorfkirche existiert nicht auf der Karte. Ob die Kartenblatt-Bezeichnung
"Glienicke/Nordbarnim" so gewollt oder ein Druckfehler war, lässt sich heute nicht
mehr feststellen, vermutlich war auch das eine vorsätzliche Falschangabe. Der einzige ortsübliche
(inoffizielle) Namenszusatz lautete jedenfalls auch damals Glienicke/Nordbahn
(siehe dazu weitere Hinweise oben), eine Landschaft oder ein Landkreis mit der offiziellen
Bezeichnung "Nordbarnim" hat nie existiert. Es gab lediglich bis 1952 den Landkreis
Oberbarnim ‒ Glienicke und alle weiteren auf dem Kartenblatt dargestellten Orte
gehörten jedoch zum Landkreis Niederbarnim.
Direkt anschließend zum Vergleich die Topographische Karte 1:50000 (DDR, Westberlin / Ausgabe
für den Staat), N-33-123-B (Berlin NW), Vertrauliche Verschlußsache!, hergestellt und
herausgegeben vom Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR, Militärtopographischer
Dienst, Stand der Unterlagen: 1981, Ausgabe 1984. Diese
"Ausgaben für den Staat" (AS) waren nur für staatliche Institutionen vorgesehen,
nicht frei zugängig, aber (weitgehend) vollständig, deutlich genauer und nicht verfälscht.
Sie stellten das eigentliche kartographische Werk für das Gebiet der DDR dar, auf dessen
Grundlage dann die verfälschten Karten für die Volkswirtschaft produziert wurden. Arbeitsbasis
war der Maßstab 1:10000, teilweise auch 1:5000. Man kann das z.B. daran erkennen, dass die
ehemalige Stasi-Kaserne am Ortsausgang Richtung Schönfließ dargestellt und auch als Kaserne
bezeichnet ist. Die Gebäudedarstellung in den Gebieten mit Einfamilienhaus-Bebauung ist
jedoch zumindest teilweise auch hier symbolisch ‒ je nach Maßstab. Auf beiden Karten
sind die Kiesgrube im Ortszentrum sowie der 1952 eröffnete kommunale Waldfriedhof südlich
des Kindelsees durch entsprechende Symbolik eingetragen. Seit 1990 konnte man die Karten
beim Landesvermessungsamt erwerben, aktuelle Bezugsquelle unter anderem über LGB
(Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg).
Zum Vergleich eine Ausgabe für den Staat (AS), Bildausschnitt, Kartenblatt im eigenen Bestand:
Topographischer Stadtplan 1:25000, Blatt 3, DDR Berlin, Potsdam, Berlin (West),
N-33-123-B-a Berlin (West) ‒ Tegel, Vertrauliche Verschlußsache!, hergestellt
und herausgegeben vom Ministerium für Nationale Verteidigung, Militärtopographischer Dienst, Stand
der Unterlagen: Mitte 1986, Ausgabe 1989. Interessant ist der
Vergleich mit der oben gezeigten Karte für die Volkswirtschaft (AV) im gleichen Maßstab; siehe
dazu auch unten das Luftbild von 1989. Klicken Sie hier auf die Karte, dann sehen Sie eine etwas
vergrößerte und besser lesbare Ansicht. Am 31.12.1988 hatte Glienicke 4.876 Einwohner
(gemäß Mitteilung des Rates der Gemeinde Glienicke im März 1989).
Wie detailgenau (für damalige Verhältnisse) die nichtöffentlichen DDR-Karten sein konnten, zeigt
hier das letzte Beispiel der Ortslage Glienicke (Bildausschnitt, Kartenblatt im eigenen Bestand):
Topographischer Stadtplan 1:10000, Blatt 6 (DDR Berlin, Potsdam, Westberlin),
N-33-123-B-a-2 Glienicke (Nordbahn), Vertrauliche Verschlußsache!, hergestellt
und herausgegeben vom Ministerium für Nationale Verteidigung der DDR, Militärtopographischer Dienst,
Stand der Unterlagen: Mitte 1986, Ausgabe 1988. Klicken Sie
wieder auf die Karte, dann sehen Sie eine Vergrößerung. Wenn
Sie die ganze Ortslage Glienicke auf diesem Kartenblatt sehen wollen, dann klicken Sie hier:
► ‒ leider fehlt der "Entenschnabel" (Am Sandkrug), er befindet
sich auf dem benachbarten Kartenblatt. Auf beiden Karten ist der Dorfanger bezeichnet als
"Gartenplatz", dieser Name hat im allgemeinen Sprachgebrauch nie existiert.
Umgangssprachlich wurde der Dorfanger damals bezeichnet als "Dorfaue".
Interessant ist an dieser Karte nicht nur die korrekte Blattbezeichnung sondern
auch die bis zu den einzelnen Eigenheimen exakte Darstellung. So ist z.B. die kleine
Kindelfließsiedlung im Nordosten der Ortslage (auf weißem Grund,
nicht zu verwechseln mit der Kindelwaldsiedlung) detailgenau bis hin zu Giebel-
und Traufstellung der Häuser erkennbar. Diese Kindelfließsiedlung war die einzige
städtebauliche Planungsleistung der DDR-Zeit in Glienicke, ab 1980 in Eigenregie
des Bauträgers (Ministerium für Maschinenbau der DDR) errichtet unter anderem
für Mitarbeiter eines Großbetriebes (VEB Kombinat Tiefbau Berlin), auch der
Straßenbau Kieler Straße und Am Kindelfließ wurde durch diesen Betrieb realisiert.
Errichtet wurden durchgängig Einfamilienhäuser eines DDR-Fertighaustyps in
Holztafelbauweise, die im Detail individuellen Wünschen angepasst wurden, auf
massiven Kellergeschossen mit integrierter Garage. Die Keller konnten wegen
des hoch anstehenden Schichtenwassers in diesem Gebiet nur sehr gering
eingetieft werden und erscheinen deshalb teilweise optisch als Vollgeschosse.
Dies waren die letzten amtlichen topographischen Kartendarstellungen aus der DDR-Zeit mit der
Ortsbezeichnung Glienicke im Kartenbild. Nach den Kommunalwahlen in der DDR am
6.5.1990 hat die neu gewählte Gemeindevertretung beschlossen, den Namen Glienicke/Nordbahn
(in dieser Schreibweise) zu führen. Mit Einführung der neuen fünfstelligen Postleitzahlen ab 1.7.1993 wurde
dieser Name auch postalisch offiziell, entsprechend wurden danach alle amtlichen Verzeichnisse angepasst.
Nach der deutschen Wiedervereinigung am 3.10.1990 und der Neugründung des Landes Brandenburg erschienen
nach 1993 auch die ersten neuen topographischen Karten des Landesvermessungsamtes mit der Ortsbezeichnung
"Glienicke/Nordbahn", erst seit dieser Zeit taucht der Ortsname in dieser Schreibweise auf
topographischen Karten im Kartenbild auf, anfangs mit typographischen Unsicherheiten (z.B.:
Glienicke/ Nordbahn). Noch 1992 publizierte das
Landesvermessungsamt Brandenburg topographische Karten M 1:100000 (Regionalkarte Land Brandenburg)
mit der alten Ortsbezeichnung "Glienicke". Außerdem wurde mit Beschluss der Gemeindevertretung
am 22.4.1992 und Wirkung zum 1.5.1992 ein Teil der 1946 umbenannten Straßen erneut umbenannt, aber nur
teilweise rückbenannt. Ab 1992 hieß die Leninstraße wieder Hauptstraße, die Ernst-Thälmann-Straße wurde
aber nicht wieder zur Prinz-Friedrich-Karl-Straße sondern zur Märkischen Allee, usw. ...
Die erste Auflage der neuen topographischen Karte im Maßstab 1:10000 mit Glienicke/Nordbahn erschien
1995, Blattbezeichnung "3345 - SO Berlin-Frohnau" (Umfassende
Aktualisierung 1991 - Einzelne Ergänzungen 1993), kostenfreier Download als PDF-Datei unter
https://data.geobasis-bb.de/geobasis/karten/topographische-karten/tk10/historisch/ (Datei: tk10_3345-so_1995.pdf).
Hier folgt ein Ausschnitt mit der westlichen Glienicker Ortslage. Das neue Wohngebiet auf dem
"Glienicker Feld" war zu dieser Zeit noch in der Entwurfsplanung (siehe dazu die Zeichnung
unten). Ein weiteres großes Bauvorhaben, die "Glienicker Spitze" zwischen Schönfließer
Straße und Oranienburger Chaussee, war 1995 in Vorbereitung auf einer Fläche, die bis dahin
überwiegend durch Freizeitgärten mit Lauben geprägt war.
Zu den ersten außerhalb Brandenburgs publizierten amtlichen Karten mit der Ortsbezeichnung Glienicke/Nordbahn
im Kartenbild gehörte die Übersichtskarte Berlin von 1995 im Maßstab 1:50000,
herausgegeben und verlegt von der Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen des Landes Berlin, hier ein
Ausschnitt mit der Glienicker Ortslage (Karte im eigenen Bestand):
Die aktuellen topographischen Karten im Maßstab 1:10000 kann man kostenlos als
PDF-Datei beziehen auf der Website des LGB (Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg) unter
https://data.geobasis-bb.de/geobasis/daten/dtk/dtk10/pdf/ ‒ Dateibezeichnung DTK10_3345-SO.pdf
(westliche Ortslage) und DTK10_3346-SW.pdf (östliche Ortslage), verfügbar auch in anderen Maßstäben.
Leider ist Glienicke durch den Blattschnitt in allen Maßstäben immer in zwei Teile geteilt. In der
grafischen Darstellung (Ausgabe 2022, Grundaktualität 25.7.2019) sieht das Ortszentrum wie folgt aus
(verkleinerter Bildausschnitt):
Glienicke/Nordbahn (Landkreis Oberhavel; Brandenburg).
Der ursprüngliche Ortsname für das Dorf und seine späteren Abwandlungen sind nach
übereinstimmender Meinung der Sprachforscher slawischen Ursprungs: Glyneck - Glinickow - Glinkow -
Glinick - Glineko - Glynicke - Glinicke - Glienecke - Glienike - usw. Im Slawischen (Altpolabischen)
und auch noch im heutigen Polnischen bedeutet das Wort "glina" Lehm (auch: Ton, Mergel), in
Verbindung mit "-eck" oder "-icke" oder "-kow" demnach ein "Ort,
an dem Lehm vorkommt", Glinik, Glinky, ein "Lehmeck" / "lehmiges Gebiet" /
"lehmiger Winkel". Siehe dazu unter anderem: Brandenburgisches Namenbuch, Seite 145.
Im wendischen Sprachgebiet der Niederlausitz findet man: Glina = der Lehm, Gliny (plural) = die
Lehmstätten, Lehmfeld (Johann Georg Zwahr: Niederlausitz-wendisch-deutsches Handwörterbuch. Spremberg
1847, Seite 80). Speziell als Flurname: glinik (von glina, Lehm) = das Lehmfeld (Ernst Mucke: Wörterbuch
der Nieder-Wendischen Sprache und ihrer Dialekte. Verlag der böhmischen Akademie für Wissenschaften
und Kunst, Prag 1928; Band 3, Seite 199).
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der geologischen Verhältnisse
im Umfeld des Dorfes Glienicke, wie sie um 1875 erkundet wurden und als Beleg für die
Namensherkunft dienen können: Geologische Spezialkarte von Preussen und den Thüringischen
Staaten: Section Hennigsdorf (entspricht dem Blattschnitt der topographischen Karte 3345), Maßstab 1:25000.
Aufgenommen von Gottlieb Berendt (geogn.) und Ernst Laufer (agron.). Topographisch aufgenommen vom
Königlichen Preussischen Generalstab 1868, Nachträge bis Ende 1875. Lithographische Anstalt von Leopold
Kraatz, Berlin 1875 (© für die Digitalisierung: Leibnitz-Institut für Länderkunde in Leipzig ‒
https://ifl.wissensbank.com ‒ eine hervorragende Website, benutzerfreundlich und gut sortiert,
mit vielen Digitalisaten in bester Qualität).
Im Umfeld der Ortslage befinden sich unter der humosen Bodendeckschicht überwiegend Böden, die zur
Gruppe der Lehmböden gehören: Lehmiger Sand
(LS) und Sandiger Lehm
(SL) in einer Mächtigkeit zwischen etwa 0,20 bis 1,40
Metern (Ziffern hinter der Bodenkennzeichnung in Dezimetern), westlich der Oranienburger Chaussee
dagegen nur Dünensand, darauf bezieht sich der Name "Sandkrug". Wenn Sie die vollständige
Karte mit Planzeichenerklärung sehen wollen, dann klicken Sie hier:
►
(© Leibnitz-Institut für Länderkunde in Leipzig). Wer sich näher mit den geologischen
Verhältnissen beschäftigen möchte, findet in den Erläuterungen von 1921 zur zweiten Auflage
der Karte detaillierte Angaben, siehe hier (PDF
►).
Einen Ausschnitt aus der Karte zu diesen Erläuterungen von 1921 zeigt das zweite Bild (Geologische
Karte von Preußen und benachbarten Bundesstaaten. Blatt 1764 auf Basis der Preußischen Landesaufnahme
1901, Blatt 3345, geologischer Datenstand 1919, herausgegeben
1921), als JPG-Datei bei der Universitätsbibliothek Potsdam zu finden unter
https://digital.ub.uni-potsdam.de/content/titleinfo/79218, leider mit falscher Titelbezeichnung
(falsch: Berendt 1938, richtig: Keilhack 1919 / 1921). Das rätselhafte "Laboratorium"
ist wieder nur auf dieser zweiten Karte eingetragen.
Auch auf der Karte von 1875 ist die Bahnstrecke der Nordbahn bereits verzeichnet, wohl
auch schon fertig gebaut, aber noch nicht in Betrieb. Die Ortslage wird im Zustand von 1868-1875 gezeigt,
das Bauernhaus Müller Gartenstraße 17 existiert bereits als Vorgängerbau des heutigen Gebäudes, das Haus
Gartenstraße 12 dagegen noch nicht, dieses Grundstück ist erst nach 1875 wohl durch Hofteilung aus dem
Hof Müller entstanden (siehe dazu die nächste Seite mit Fotos). Amüsant ist außerdem, dass das
"Spandauer Pfort" hier als "Spandower Fort" benannt ist. Die Kartenzeichner des
preußischen Generalstabs haben die Welt durch die militärische Brille betrachtet und aus der Pforte
= Furt ein Fort gemacht ‒ welches hier nie existiert hat. Das wurde dann von verschiedenen
kartographischen Verlagen übernommen und hat für Verwirrung gesorgt.
Glienicke/Nordbahn (Landkreis Oberhavel;
Brandenburg). Das kleine Angerdorf Glienicke war seit den 1890er Jahren zunehmend einem
starken Siedlungsdruck aus Richtung Berlin durch Freizeitnutzung und Wohnungsbau ausgesetzt,
was 1904 und um 1906 zu Parzellierungsplänen durch Überplanung der Flurkarten führte,
weitgehend ohne Rücksicht auf die alten Strukturen von Wörden (Gartenstücke hinter den
Höfen) und Feldflur, lediglich die vorhandenen Straßen und Wege sowie die zur Bewirtschaftung
der Höfe erforderlichen Parzellierungen wurden beibehalten. Außerhalb dieser Flurstücke
erfolgte rationale Quartierbildung mit Rasterparzellierung. Die heutigen Liegenschaftskarten
(siehe z.B. BrandenburgViewer) bilden das Angerdorf zwar noch ab, das architektonische
Ortsbild im Zentrum erinnert jedoch nur noch in Resten an das ehemalige Dorf.
Parzellierungs- und Fluchtlinienplanung um 1906
Die folgende Karte aus dem Archivbestand der Gemeinde zeigt die Überplanung
und Parzellierung der Gemarkung um 1906. Unter der neu geplanten Parzellierung
sind die alten Flurgrenzen noch teilweise erkennbar, die alten Flurnamen wurden
übertragen, so z.B. grün die Woerden hinter den ehemaligen
Bauernhöfen oder das Vorder Feld ‒ heute das Wohngebiet
"Sonnengarten". Der Bebauungsplan für dieses Wohngebiet wurde deshalb
1995 auch bezeichnet mit "Glienicker Feld". Nach 1906 wurden nicht
alle Planbereiche in der dargestellten Form realisiert. Die Planung zeigt jedoch
deutlich, dass ein Interesse an der kommerziellen Verwertung der ehemals
landwirtschaftlich genutzten Flächen nicht erst nach 1990 entstanden ist sondern
bereits hundert Jahre früher. Die entsprechenden Aktivitäten wurden durch
Weltwirtschaftskrise, Krieg und DDR-Zeit nur unterbrochen, aber nicht für immer
eingestellt. Informationen zum Begriff "Woerden" siehe hier:
►
Bildquelle: Website der Gemeinde Glienicke/Nordbahn (www.glienicke.eu), Auszug aus dem
digitalisierten historischen Karteblatt 3 im Maßstab 1:2500. Die wertvolle Kartensammlung
besteht aus 5 Blättern und ist den älteren Glienickern unter der Bezeichnung
"Bibel" oder "Glienicker Bibel"
bekannt, gemeinfrei, für die Digitalisierung als PDF: © Gemeinde Glienicke/Nordbahn,
zu finden direkt hier:
►. Die als PDF durch die Gemeinde bereitgestellte "Historische Karte 03"
wurde für die Darstellung des Bildausschnitts hier auf dieser Webseite in JPG transformiert und
in diesem Format zur Verbesserung der Lesbarkeit digital bearbeitet (Farboptimierung, Kontrast,
Bildschärfe). Klicken Sie auf dieses Bild, dann sehen Sie das vollständige Kartenblatt; wenn
Sie dann nochmals klicken, sehen Sie es in hoher Auflösung.
Bei den Zeichnungen der "Glienicker Bibel" handelt es sich um eine Mischung aus Karte (Bestandskartierung)
und Plan (projektierte Entwicklung). Die Karte wurde offensichtlich noch über mehrere Jahre als Arbeitsblatt verwendet
zur Dokumentation der weiteren baulichen Entwicklung. Das 1911 errichtete Wohn- und Geschäftshaus Hauptstraße 70 scheint
bereits eingetragen (der Grundriss passt jedenfalls in etwa zum heutigen Bestand). Die auf der "Historischen Karte 01"
(Glienicke Nordwest) eingetragene Bebauung Hattwichstraße 25 ist z.B. nach Auskunft des Eigentümers 1908 entstanden und
ebenfalls bis heute erhalten. Die plangrafischen Darstellungen enthalten folgende Angaben:
- Baubestand (rot) mit Hausnummern, incl. Fortschreibung der baulichen Entwicklung (bis wann, ist unklar)
- Flurstücke mit (geplanten) Hausnummern und Flurstücksnummern, darunter diverse nachträgliche Korrekturen und Änderungen
- durch Grundstücksteilungen usw.
- bestehende und geplante Straßen mit Bemessung (Regelbreite bei Neuplanung = 15,0 m), Straßennamen, Straßennummern
- straßenbegleitende Baufluchtlinien im Regelabstand von 4,0 m zur Straßengrenze (Sicherung einer einheitlichen Vorgartenzone),
- in einigen Gebieten auch nur 2,5 m, so z.B. im nordwestlichen Gemeindegebiet
- Markierung existierender Straßen: rosa = gepflastert oder für Pflasterung geplant, gelb = nicht ausgebaut (ohne festen Belag)
- Straßen ohne Farbmarkierung waren offenbar zum Zeitpunkt der Planerstellung geplant, aber noch nicht realisiert
- rote Linien auf Straßen: geplanter Leitungsverlauf (Gas / Elektro / Trinkwasser ?); im Kreiskalender Niederbarnim von 1928 wird
- mitgeteilt, dass Glienicke bereits über unterirdisch verlegte Gas- und Elektrizitätsnetze verfügt
und eine Wasserleitungsanlage
- im Entstehen ist
- historische Flurbezeichnungen grün (Woerden, Vorder Feld, Mittel Feld, Kirchen Acker, Aas-Kute)
Die Gemeinde hatte diesen Parzellierungsplan somit gleichzeitig als Fluchtlinienplan
konzipiert, als solchen jedoch formell nie beschlossen, im Gegensatz zum benachbarten Frohnau (siehe Literaturangabe
unten). Fluchtlinienpläne waren die Vorläufer der heutigen Bebauungspläne gemäß Baugesetzbuch (BauGB), Rechtsgrundlage
war das "Preußische Fluchtliniengesetz" von 1875 (siehe unten) mit den ergänzenden "Vorschriften für
die Aufstellung von Fluchtlinien- und Bebauungsplänen" von 1876 zur Ausgestaltung der Plandokumente. Im Gesetz
sprach man bei einzelnen Straßenzügen von Fluchtlinienplan, bei größeren Gebieten mit mehreren Straßenzügen von
Bebauungsplan (begrifflich nicht ganz konsequent, weil inhaltlich identisch). In diesem Sinne handelt es sich bei
der Glienicker Planung um den Entwurf eines Bebauungsplans, der jedoch in seiner zeichnerischen
Ausführung noch nicht den Vorschriften von 1876 entsprach. Die neue Bebauung durfte nur innerhalb der durch
Fluchtlinien abgegrenzten Bereiche entwickelt werden, im Gegensatz zur vorher (historisch) üblichen Baupraxis,
bei der die Wohngebäude meist direkt an der straßenseitigen Grundstücksgrenze errichtet wurden. Aus den damaligen
Fluchtlinien sind die heutigen Baugrenzen gemäß § 9 Abs.1 Nr.2 BauGB entstanden.
Bei der förmlichen Ausarbeitung der Planzeichnungen für Fluchtlinienpläne mussten nach den plangrafischen
Vorschriften von 1876 die Flächen zwischen Straßengrenze und Baufluchtlinie wie auch andere von Bebauung
freizuhaltende Flächen grün eingefärbt werden, ein deutlicher Hinweis auf eine zu begrünende Vorgartenzone.
Die Straßenbegrenzungslinie wurde dann auch ausdrücklich als "Vorgartenflucht" oder
"Straßenfluchtlinie" bezeichnet, im Gegensatz zur "Bauflucht" oder "Baufluchtlinie"
für die Gebäude. Als Anschauungsbeispiel dient hier der folgende Ausschnitt aus dem "förmlich festgestellten"
und damit rechtswirksamen "Fluchtlinien-Plan von der Dorfstraße im Gemeindebezirk Heiligensee a. Havel, Kreis
Niederbarnim" von 1912, einem strukturell mit Glienicke vergleichbaren Angerdorf, publiziert vom Bezirksamt
Reinickendorf von Berlin, Fachbereich Vermessung (das PDF-Dokument dazu siehe direkt hier:
►). Zum Vergleich findet man an gleicher Stelle auch ein PDF-Dokument zum Bebauungsplan
(= Fluchtlinienplan) von 1908 für das heutige Berlin-Frohnau, damals noch Provinz Brandenburg: "Übersichtsplan
zum Bebauungs-Plan der Gartenstadt Frohnau, Gemarkung Stolpe, Kreis Niederbarnim"
(siehe direkt hier:
►).
In Glienicke wurde während der DDR-Zeit bei Baugenehmigungen für den Eigenheimbau weiterhin die
"4-Meter-Regelung" zur Vorgartenzone beachtet, durch das örtliche "Bauaktiv" im
Auftrag von Gemeindevertretung und Gemeinderat geprüft und durch die Bauaufsicht im Kreis Oranienburg
als örtliche Vorgabe respektiert. Nach der deutschen Wiedervereinigung 1990 hat sich der Bauausschuss
der Gemeindevertretung darauf verständigt, diese Regelung im Grundsatz beizubehalten, vorerst nur
intern und informell, bei Hauptstraßen eher 5 Meter, später teilweise auch formell durch Festsetzungen
in Bebauungsplänen, unter Berücksichtigung der jeweiligen Bestandssituation mit 4 oder 5 Metern.
Literatur:
► R. Friedrichs: Das Gesetz, betreffend die Anlegung und
Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875.
Verlag von J. Guttentag (D. Collin), Berlin und Leipzig 1882 (digitalisiert von der Staatsbibliothek
zu Berlin / Preußischer Kulturbesitz unter https://digital.staatsbibliothek-berlin.de). Ein Kommentar
zum Gesetz; enthält neben dem Gesetzestext eine Einleitung, die "Vorschriften für die Aufstellung
von Fluchtlinien- und Bebauungsplänen" vom 28. Mai 1876 sowie die "Orts-Statuten für Berlin"
von 1875/1877.
► Preußisches Fluchtliniengesetz (Straßen- und Baufluchtengesetz) 1875:
Gesetz, betreffend die Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen in Städten und ländlichen Ortschaften vom 2. Juli 1875.
Eine Transkription findet man bei den Berliner Vermessungsämtern: https://www.berlin.de/vermessungsaemter/ ‒ dort
unter > Rechtsgrundlagen (siehe direkt hier:
►). Dieses Gesetz war zusammen mit den ergänzenden Vorschriften von 1876 Ursprung und Grundlage für die
moderne Bebauungsplanung gemäß BauGB. Im alten Bundesgebiet incl. Westberlin sind Fluchtlinienpläne teilweise noch
heute als "einfache Bebauungspläne" in Kraft, gesichert durch Überleitungsvorschriften im Bundesbaugesetz 1960
(§ 173 Abs.3) und nachfolgende Gesetze, zuletzt § 30 Abs.2 BauGB. In der DDR gab es keine vergleichbare Gesetzgebung.
► Carsten Benke: Planungen für die Gartenstadt Frohnau 1907-1930.
Städtebau- und Gestaltungswettbewerbe in der Frühzeit Frohnaus. Herausgegeben im Eigenverlag durch den Bürgerverein
Frohnau e.V., Berlin 2023. Dort kann man auch die ursprünglichen, aber nicht mehr realisierten Planungen im Gebiet
der "Bieselheide" nördlich von Glienicke sehen.
Glienicke/Nordbahn (Landkreis Oberhavel; Brandenburg),
das große städtebauliche Entwicklungskonzept von 1995 für das zentrale
und damals noch weitgehend unbebaute Gemeindegebiet nordöstlich des Dorfangers mit der historischen
Flurbezeichnung "Vorder Feld" (siehe Parzellierungs- und Fluchtlinienplan von 1906
oben); ganz unten links sieht man den Dorfanger. Das Gebiet wurde durch ein langwieriges Bebauungsplanverfahren
(B-Plan) der Gemeinde Glienicke im Wesentlichen für einen Großinvestor entwickelt. Gezeigt wird hier der
zur Bürger- und Behördenbeteiligung vorgelegte Gestaltungsvorschlag zum Entwurf des B-Plans
vom Juli 1995 mit der Planbezeichnung B-Plan Nr.1 "Glienicker Feld", also der
noch nicht rechtskräftige Plan. Planverfasser im Auftrag der Gemeinde war die Planungsgruppe 4
/ P4 Berlin (Peter Dittmer und Paul M. Lösse, Dipl.-Ing. Architekten und Stadtplaner SRL) in
Zusammenarbeit mit den Landschaftsarchitekten Martin Seebauer, Karl Wefers und Partner, Freie
Landschaftsarchitekten BDLA, beide Büros aus Berlin.
Dieser Bebauungsplanentwurf wurde schon wenige Monate nach dem Satzungsbeschluss 1996 erstmalig 1997
geändert, inzwischen ist das Gebiet nach insgesamt 12 Änderungsverfahren mit teils erheblichen Auswirkungen
vollständig bebaut, die städtebauliche Entwicklung ist abgeschlossen. Die Unterlagen zum B-Plan und den
Änderungsverfahren findet man auf der Website der Gemeinde unter
www.glienicke.eu/bauen-wirtschaft/plaene-und-konzepte/bebauungsplaene/. Auch die folgende Planzeichnung
ist somit inzwischen nur noch ein historisches Dokument zur Planungsgeschichte und Siedlungsentwicklung in
Glienicke/Nordbahn, als solches jedoch sehr interessant, es dokumentiert die Zielvorstellungen der politischen
Mehrheit in der Gemeindevertretung nach der deutschen Wiedervereinigung. Wenn Sie auf die Abbildung klicken,
dann sehen Sie die vollständige Planzeichnung mit Schriftfeld in höherer Auflösung (© Gemeinde
Glienicke/Nordbahn / P4 Berlin). Den dazu gehörenden Festsetzungsplan sehen Sie hier:
►, den Grünordnungsplan hier:
► (beide Pläne: © Gemeinde Glienicke/Nordbahn / jeweilige Planungsbüros). Im nächsten Abschnitt
finden Sie passend dazu das Luftbild mit dem Zustand von 1989 vor Planungsbeginn (auch durch Anklicken zu vergrößern).
Die erste Änderungsplanung von 1997 zum Bebauungsplan sehen Sie hier:
► (© Gemeinde Glienicke/Nordbahn / P4 Berlin), der südöstliche Teil des B-Plangebietes wurde
dabei aufgehoben, dieser Teil fiel wieder zurück in den Zustand gemäß § 34 BauGB ‒ mit welchen Folgen, kann man
heute sehen. Die weiteren Unterlagen dazu und zum Fortgang des Verfahrens findet man auf der Website der Gemeinde.
Mit dieser Bebauungsplanung wurden 1995 die städtebaulichen Entwicklungsziele aus der Zeit kurz nach 1900
wieder aufgenommen und gleichzeitig abgeschlossen, wenn auch in vollständig anderer Form, so doch im
Grundsatz mit dem unveränderten Ziel, auch die letzte noch verbliebene Agrarfläche des ehemaligen
Dorfes einer weitgehend kommerzialisierten baulichen Nutzung zuzuführen. Der Planungsprozess war von
teils heftigen bürgerschaftlichen und parteipolitischen Diskussionen begleitet, viele Einwohner hatten
sich nach 1990 eine andere Entwicklung für Glienicke vorgestellt. Das Geschäft mit den Investoren war
letztlich dennoch nicht zum Nachteil der Gemeinde, die finanziellen und materiellen Ausgleichsleistungen
der Investoren für Glienicke waren angemessen.
Für das Plangebiet in der hier gezeigten Form galten folgende städtebaulichen Kennzahlen (entnommen
dem Begründungstext zum B-Planentwurf, Juli 1995, Seiten 108-109): Fläche des Plangebietes = 50,9 ha,
davon Wohngebiete = 19,4 ha und Mischgebiete = 5,5 ha für zusammen (überschlägig) 1.600 - 1.700 neue
Wohneinheiten (WE), damit für etwa 3.600 - 3.900 Einwohner (bei Zugrundelegung von 2,3 Einwohnern
je WE entsprechend der damaligen landesplanerischen Statistik).
Glienicke/Nordbahn (Landkreis
Oberhavel; Brandenburg), das zentrale Gemeindegebiet um den
historischen Dorfkern im Zustand am 25.4.1989
um 15.50 Uhr, links sehr deutlich der Grenzstreifen zwischen Westberlin und
Glienicke mit der "Berliner Mauer" als Staatsgrenze der DDR, zum
Aufnahmezeitpunkt immer noch militärisch aktiv gesichert. Das Foto ist
außerordentlich interessant, weil es sich um das letzte Luftbild von Glienicke
aus der DDR-Zeit handelt. Nur wenige Monate später fiel die Mauer.
Das Bild stammt aus einer Serie von 776 Luftaufnahmen in hoher Auflösung, die
1989 im Auftrag des Senats von Westberlin durch die Firma Hansa Luftbild AG
als Senkrechtaufnahmen (Orthofotos) für das gesamte Westberliner Stadtgebiet
einschließlich DDR-Randbereiche erstellt wurde. Die Luftbilder können im
Internet über das Geoportal Berlin und dort über den Geodatenkatalog
FIS Broker eingesehen und heruntergeladen werden, sie stehen
kostenlos für jede weitere Nutzung zur Verfügung unter der
"Datenlizenz Deutschland - Namensnennung - Version 2.0"
(DL-DE->BY-2.0) ‒ alle weiteren Angaben finden Sie hier:
https://daten.berlin.de/datensaetze/luftbilder-1989-ma%C3%9Fstab-110-000-wfs
Da die Nutzung dieser Website des Landes Berlin höchst kompliziert ist, werden alle
776 Luftbilder unter Beachtung der Open-Data-Nutzungsbedingungen auf der Website der
Digitalen Luftfahrt Bibliothek kostenlos in voller Auflösung und leicht
handhabbar zur Verfügung gestellt ‒ vielen Dank für diesen Service von hier aus
(!). Die Luftbilder
können weiterverbreitet und weiterverwendet werden, müssen jedoch für den Quellen- und
Urhebernachweis die oben genannten Bestimmungen der Datenlizenz befolgen, weitere Angaben
sowie ausführliche Hintergrundinformationen zur Entstehungsgeschichte der Luftbilder siehe hier:
https://www.luftfahrt-bibliothek.de/bildarchiv-berlin-luftaufnahmen-brd-ddr-grenze-luftbilder.htm
Von dieser Website stammt der folgende Bildausschnitt, er wurde leicht bearbeitet (Kontrast,
Bildschärfe). Wenn Sie auf das Bild klicken, sehen Sie einen wesentlich größeren Ausschnitt
aus dem Gemeindegebiet von Glienicke/Nordbahn, klicken Sie dann noch einmal zur Vergrößerung
auf diese JPG-Datei. Im Bild erscheint dann neben der zentralen Ortslage incl.
"Glienicker Feld" auch der gesamte nordwestliche Siedlungsbereich (Glienicke-West)
mit der angrenzenden Stasi-Kaserne auf Schönfließer Gemarkung (MfS-Objekt für Wachregiment)
sowie der nordöstliche Glienicker Bereich bis hin zur Kindelfließsiedlung, besonders in
dieser Gegend noch mit vielen Straßen im unveränderten Zustand seit der Parzellierung, gut
sichtbar ohne Ausbau und nur als Sandwege befahrbar.
Die letzten beiden Luftbilder zeigen den aktuellen Zustand des Gebietes am 22.4.2020,
es handelt sich um digitale Orthofotos der Landesvermessung und Geobasisinformation Brandenburg (LGB),
im Internet zur Verfügung gestellt ohne Zugriffsbeschränkungen über den BrandenburgViewer
unter der "Datenlizenz Deutschland - Namensnennung - Version 2.0" (DL-DE->BY-2.0), siehe
hier: https://bb-viewer.geobasis-bb.de
Zum besseren Vergleich mit dem historischen Foto wird die aktuelle Aufnahme zuerst in der
Schwarz-Weiß-Fassung gezeigt, diese und die Farbfassung sind zeitidentische Fotos.
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