Ziegel (Mauerziegel) im Reichsformat sind ein Ergebnis
der enormen Bautätigkeit in den "Gründerjahren" etwa ab 1860 in Preußen bzw. im Deutschen
Reich und der damit verbundenen Notwendigkeit, für große (staatliche) Bauaufgaben in kurzer Zeit sehr
große Mengen an Mauerziegeln bereitzustellen. Einzelne Ziegeleien konnten diesen Bedarf nicht mehr
abdecken, bei Lieferung durch mehrere Ziegeleien für ein Bauvorhaben waren einheitliche und abgestimmte
Formate und Qualitäten erforderlich. Außerdem musste zunehmend auf Vorrat und nicht erst nach Eingang
der Bestellung produziert werden, um kürzere Lieferzeiten abzusichern. Die Entwicklung zum Reichsformat
vollzog sich über einen längeren Zeitraum:
Der Königlich Preußische Ober-Bau-Inspector Heinrich Ludewig Manger (1728-1790)
teilt 1785 in seinem Buch "Die ökonomische Bauwissenschaft zum Unterricht
für den Landmann" (siehe unten) mit, dass man "in hiesiger Gegend, und größtentheils in
der ganzen Churmark ... zweyerlei Mauerziegel hat, große und kleine ...", und zwar
- die große Art: 10 x 5 x 3 Zoll (ca. 262 x 131 x 78 mm),
- die kleine Art: 9 x 4 1/2 x 2 1/2 Zoll (ca. 235 x 118 x 65 mm).
Der zu dieser Zeit in Preußen seit 1773 amtliche Rheinländische / Rheinische Zoll hatte 2,615 cm.
Manger weist darauf hin, dass bei der Volumenermittlung für Mauerwerk zu diesen Größen umlaufend eine
Kalkfuge von etwa 1/4 Zoll (ca. 7 mm) gerechnet werden muss, auf das Zusammenspiel der Ziegelformate
im Mauerverband geht er jedoch nicht ein. Er beklagt, dass bei Mauerziegeln "ihre Größe fast eben
so verschieden ist, als es Ziegeleyen giebt ..." und begründet dies mit dem unterschiedlichen
Schwindverhalten beim Trocknen und Brennen je nach regional verfügbarer Qualität der Ziegelerde.
Der Königlich Geheime Ober-Bau-Rath David Gilly (1748-1808) schreibt 1797
in seinem "Handbuch der Land-Bau-Kunst ..." (siehe unten), dass nach seiner Beobachtung
die Mauerziegel in Deutschland nach den folgenden Hauptdimensionen geformt werden unter Beachtung
der Regel, "dass die Länge eines Mauerziegels der doppelten Breite desselben, mit Zugabe
einer Kalkfuge, gleich sein soll". Bei diesen Angaben handelt es sich um Durchschnittsgrößen,
ob nur für Preußen oder auch für die anderen deutschen Staaten, bleibt unklar:
- Große Form: 12 x 5 1/2 x 3 Zoll (ca. 314 x 144 x 78 mm, Fugendicke somit 26 mm, ein altdeutsches Klosterformat)
- Mittlere Form: 10 x 4 3/4 x 2 1/2 Zoll (ca. 262 x 124 x 65 mm, Fugendicke somit 14 mm, ein mittleres Normalformat)
- Kleine Form: 8 x 3 3/4 x 2 1/4 Zoll (ca. 209 x 98 x 59 mm, Fugendicke somit 13 mm, ein norddeutsches / holländisches Format)
Unter anderem aus diesen Gründen war bereits 1793 unter Friedrich Wilhelm II.
für die Mark Brandenburg und das Herzogtum Magdeburg durch Königliches Regulativ für Mauerziegel
(Ziegel, Ziegelsteine, Backsteine, Brandsteine) ein zulässiges Maximalmaß von 11 1/2 x 5 1/2 x 2 1/2 Zoll
(ca. 301 x 144 x 65 mm) und ein Minimalmaß von 9 1/2 x 4 1/2 x 2 1/8 Zoll (ca. 248 x 118 x 56 mm)
festgelegt worden, die Verordnung in Zuständigkeit des Preußischen Oberbaudepartements trat am
1.1.1794 in Kraft. Es zeigte sich aber in der Praxis, dass diese Formate bei
Ausfachung von Fachwerkwänden mit den damals gebräuchlichen Bauholzbreiten nicht harmonierten
(siehe unten, A. F. Triest, 1809, Seite 121). Jedenfalls wurde 1798 noch das
später am weitesten verbreitete preußische "mittlere Normalformat"
mit den Maßen 10 x 4 5/6 x 2 1/2 Zoll eingeführt, also ca.
262 x 126 x 65 mm. Die Vielfalt an Formaten hielt sich jedoch vorerst
hartnäckig, auch durch die vielen als Familienbetriebe im ländlichen Nebenerwerb betriebenen
kleinen Ziegeleien (Feldziegeleien, Feldbrandziegeleien). Soweit diese nur für den Eigenbedarf
produzierten, war das wohl auch kein Problem. Noch um 1840 wurde die Ziegelbrennerei
zu den landwirtschaftlichen Gewerben gezählt, fast jedes Dorf mit verwertbaren Tonvorkommen
hatte mindestens einen "Ziegelbäcker" und dieser sein eigenes Ziegelformat. Da Ziegel
nach Stückzahl und nicht nach Volumen verkauft wurden, sorgte die Geschäftstüchtigkeit der
Hersteller für tendenziell immer kleinere Ziegel. Auch dies war Hintergrund für die Normierung,
verbunden mit Strafandrohung "in äußerster Strenge" durch "Konfiskation"
(Lizenzentzug, entschädigungslose Enteignung) bei Zuwiderhandlung.
Durch Circular-Rescript (Umlauf-Erlass) vom 15.12.1835 sah sich die preußische Regierung
veranlasst, die bereits 1793 bzw. 1798 allgemein festgesetzten Ziegelformate
nunmehr ausdrücklich für alle gewöhnlichen Staatsbauten zu bestimmen mit dem
Hinweis, dass ab 1.1.1837 keine anderen als diese Mauerziegel für öffentliche
Bauten zur Anwendung kommen dürfen, abgesehen von außergewöhnlichen Konstruktionen, für die
eine besondere schriftliche Bestellung vorzulegen war:
- Große Form: 11 1/2 x 5 1/2 x 2 1/2 Zoll (ca. 301 x 144 x 65 mm)
- Mittlere Form: 10 x 4 5/6 x 2 1/2 Zoll (ca. 262 x 126 x 65 mm)
- Kleine Form: 9 1/2 x 4 1/2 x 2 1/8 Zoll (ca. 248 x 118 x 56 mm)
Bekanntgemacht wurden diese Verordnungen und Erlasse durch Regionalpublikationen in allen preußischen
Landesteilen, hier zitiert nach dem "Amtsblatt der königlichen Regierung zu Erfurt", Jahrgang 1836,
gedruckt bei Friedrich Ohlenroth, Stück 3, 16.1.1836, Seiten 11-12. Die Bekanntmachung für den
Regierungsbezirk Potsdam und die Stadt Berlin erfolgte im Amtsblatt von 1836, Stück 4, vom 22.1.1836,
Seite 26. Die Kontrolle der Ziegeleien oblag den Landräten. Hinweise zu Ziegelformaten für Pflasterklinker
in Brandenburg und Preußen siehe hier:
►
Der Berliner Baumeister Adolf Lämmerhirt (siehe unten) hat 1869 mehrfach das
Format 250 x 120 x 70 mm vorgeschlagen, der "Deutsche Verein für Fabrication von Ziegeln etc."
hatte hinsichtlich der Steindicke jedoch fabrikationstechnische Bedenken; man einigte sich auf das Format
250 x 120 x 65 mm, welches dann 1870 als Deutsches Normalziegelformat
durch den Preußischen Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten (Graf von Itzenplitz) als Reichsnorm
eingeführt wurde, die Norm trat nach einer Übergangszeit am 1.1.1872 für "alle gewöhnlichen
Staatsbauten" in Kraft. Die Quellenangabe für die Geburtsstunde des Deutschen Reichsformats lautet korrekt:
Circular-Erlaß vom 13. October 1870, das Normal-Format der Mauerziegel betreffend. Veröffentlicht
in den Amtsblättern der Regionalregierungen, so z.B. im "Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Erfurt",
Stück 52, vom 19.11.1870, Seite 261, oder im "Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt
Berlin", Stück 5, vom 3.2.1871, Seite 42, sowie in der "Zeitschrift für Bauwesen", herausgegeben
unter Mitwirkung der Königlichen Bau-Deputation und des Architekten-Vereins zu Berlin. Jahrgang XXI, Verlag
von Ernst & Korn, Berlin 1871, Heft 1, Seite 3/4.
Hintergrund dieser Aktivität war unter anderem, dass der Norddeutsche Bund und
damit auch Preußen als sein größtes Mitglied bereits 1868 das metrische
System beschlossen und ab 1.1.1869 eingeführt hatte - ohne größere
Wirkungen im Baugewerbe zu hinterlassen. Nach der Proklamation des
Deutschen Kaiserreiches 1871 wurde dieses System für das ganze Deutsche
Reich übernommen. Allerdings hatte man damit nur den Mauerziegel als
solchen metrisch gemacht (4 x 25 cm = 1 m), das daraus entstehende
Mauerwerk incl. Fugen war keineswegs metrisch, es entstanden vielmehr
höchst umständliche Maßketten und Gesamtmaße. Auch das von Adolf Lämmerhirt
bevorzugte Höhenmaß 70 mm, welches auf 1 Meter Mauerwerkshöhe incl.
Fugen gut teilbare 12 Schichten ergeben hätte, war nicht möglich.
In der "Deutschen Bauzeitung" (Jahrgang VI, Nr.10, 7.März 1872) wird
unter "Vermischtes" auf Seite 79 mitgeteilt:
"Normal-Ziegelformat. Nach Mitteilung des deutschen
Vereins für Fabrikation von Ziegeln etc. ist das von demselben
vorgeschlagene und vom Verbande deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine akzeptirte Normalziegelformat von 25 x 12 x 6½
Zentimeter bis jetzt von folgenden Regierungen für die Veranschlagung
und Ausführung von Staatsbauten vorgeschrieben worden: Preussen,
Mecklenburg-Schwerin, M.-Strelitz, Sachsen-Gotha, S.-Weimar-Eisenach,
S.-Altenburg, Braunschweig, Schwarzburg-Rudolstadt, Schw.-Sondershausen,
Schaumburg-Lippe und Lübeck. Von Sachsen (Königr.), Bayern, Würtemberg,
Baden, Oldenburg etc. fehlen die Nachrichten darüber." (Schreibweise
hier und im Folgenden unverändert zitiert.)
Allgemein wurde das neue Ziegelformat als Normalformat oder
Deutsches Normalformat und später überwiegend nur noch
als Reichsformat (RF) bezeichnet. Der Einsatz war zumindest
bei Staatsbauten vorgeschrieben und fand schon bald auch im privaten Bereich
weite Verbreitung. 1875 wurde international das metrische System als
verbindlich eingeführt (Meterkonvention von Paris), das deutsche Reichsformat
wurde an das neue Maßsystem angepasst, um auch das Ziegelmauerwerk insgesamt
bei Einsatz von ungeteilten Normalziegeln metrisch ausführbar zu machen. Als
"Neues Reichsformat" wurden 240 x 115 x 63 mm
festgelegt, ein zumindest horizontal einschließlich 10-mm-Fugen durch 8 teilbares
metrisches (oktametrisches) Maßsystem. Umgangssprachlich war ab dieser Zeit für
das überwiegend weiterhin produzierte Ziegelformat von 1872 auch die Bezeichnung
"Altes Reichsformat" üblich, in den meisten Handwerks-
und Baufachbüchern wurde dieses Format jedoch noch bis in die frühen 1950er Jahre
einfach als Reichsformat oder als Normalformat bezeichnet.
Für Verblendmauerwerk wurden 1879
Sonderformate eingeführt, bezeichnet als Normal-Profilziegel
oder Normal-Formziegel, publiziert im "Notizblatt des
Deutschen Vereins für Fabrication von Ziegeln, Tohnwaaren, Kalk und
Cement" (1879, Heft 1). Diese Ziegel sind nach zwei Seiten (Langseite
und Kopfseite) je 2 mm und in der Höhe 4 mm größer als das alte Reichsformat
(250 x 120 x 65 mm), woraus sich die aus ästhetischen Gründen für Verblendfassaden
angestrebte allseits schmalere Fugenbreite von 8 mm bei einem Verblenderformat
(Basisformat) von 252 x 122 x 69 mm ergibt. Um auch die
Lagerfugen auf 8 mm Höhe zu reduzieren, mussten die sonst üblichen 12 mm
in der Höhe um 4 mm (oben und unten je 2 mm) ausgeglichen werden. Das
Maßsystem dieser Verblend-Formziegel war somit kompatibel mit dem
normalen Reichsformat, welches weiterhin als Hintermauerung verwendet
werden konnte. Ausgeführt wurde dieses Mauerwerk sichtseitig meist mit
tiefliegenden / ausgekratzten Fugen oder durch Verwendung spezieller
Profilziegel mit Hohlfuge (siehe unten bei Ahnert / Krause, Tafel 13).
Unbefriedigend blieb noch, dass auch beim Neuen Reichsformat bei einer Ziegelhöhe von 63 mm
für 1 Meter Mauerhöhe incl. 12 mm Fugen (Baurichtmaß) etwa 13 Schichten erforderlich waren,
ein nicht teilbares Maß, was sich in der Baupraxis nur schlecht handhaben ließ und im
Zusammenhang mit der nach dem ersten Weltkrieg zunehmend industriellen Herstellung und
Normung von Bauelementen (besonders Türen und Fenster) zu Problemen führte. Die
Schichthöhenproblematik hatte sich sogar noch verschärft, was offenbar dazu führte,
dass auch das Neue Reichsformat häufig mit 65 mm Dicke produziert wurde - jedenfalls
ist dieses Format im historischen Baubestand zu finden (siehe die nächstfolgende
Bildgruppe). Bei der in den 1920er Jahren zunehmenden Normung von Bauelementen
(z.B. Reichsnorm Bauwesen, Holzfenster für Kleinwohnungen: DIN 1138) wurde für
die Rohbau-Öffnungsmaße immer das Alte Reichsformat = Normalformat zugrunde
gelegt, das Neue Reichsformat spielte offenbar keine Rolle.
Außerdem gab es bis 1920 für die verschiedenen Materialqualitäten in der
Ziegelproduktion nur baufachliche Erfahrungswerte, aber z.B. keine
verbindlich definierten Druckfestigkeitsklassen. Erstmals wurden
1920 durch Erlass des Ministers für
öffentliche Arbeiten "Regeln für die Lieferung und Prüfung von
Mauerziegeln (Backsteinen)" festgelegt, die bei Auftragsvergaben zu
beachten waren. Seitdem existieren verbindliche Materialkennwerte für
Mauerziegel. Als Basisformat war weiterhin das Alte Reichsformat von
1872 ("Reichsmaß, Normalform") mit 25 x 12 x 6,5 cm bestimmt.
Alle Festsetzungen aus diesem Erlass wurden unverändert im August
1922 übernommen in die erste deutsche
Ziegelnorm DIN 105 (Deutsches
Institut für Normung e.V., gegründet
1917 als Normenausschuss der deutschen Industrie - NADI), wiederum ohne
das Maßsystem zu verändern, als Basisformat genormt war weiterhin das
Alte Reichsformat von 1872. Systematisiert waren lediglich die
materialtechnischen Eigenschaften der Mauerziegel.
Erst 1952 konnte mit der überarbeiteten Ziegelnorm DIN 105
das moderne oktametrische System mit dem Normalformat (NF) von
240 x 115 x 71 mm eingeführt werden mit allen weiteren, darauf
aufbauenden bzw. daraus abgeleiteten Formaten. Die Norm galt in beiden deutschen
Staaten. Erst mit diesem Schritt wurde endgültig das neben den alten Klosterformaten
sowie den kleinen norddeutschen Sonderformaten wohl berühmteste deutsche Ziegelformat,
das Reichsformat von 1872, nach 80 Jahren als zeitgenössischer
Baustoff abgelöst. Das auf der neuen Grundlage entstehende Mauerwerk mit 12 Schichten auf
1 Meter Mauerhöhe war jetzt horizontal und vertikal im metrischen System teilbar. Dieses
System gilt in Deutschland bis heute.
In der DDR wurde die Ziegelnorm DIN 105 im Jahr 1962 überführt in die
TGL 10150 (Technische Normen, Gütevorschriften
und Lieferbedingungen): TGL 10150 Blatt 1 ‒ Mauerziegel, Mauervollziegel
(Ersatz für DIN 105 Ausgabe 1.52), verkündet im Gesetzblatt Teil III Nr.7 vom 31. März 1962,
verbindlich ab 1.10.1962. TGL waren staatliche Standards, hatten Gesetzescharakter und waren
für das Gebiet der DDR rechtsverbindlich. In der BRD wurden die DIN-Normen als private
technische Regelungen weitergeführt, hatten jedoch nur empfehlenden Charakter.
► Klosterformat als Reichsformat: Um dem
erheblichen Bedarf an großformatigen Mauerziegeln für die um 1900 besonders in Mode gekommenen
historisierenden Kirchenbauten gerecht zu werden, wurde auch dafür ein einheitliches Ziegelformat
eingeführt, abgeleitet aus einem Durchschnittswert mittelalterlicher Klosterziegel / Klosterformate
sowie produktionstechnischen Überlegungen. Die Normierung auf das Maß 28,5 x 13,5 x 8,5 cm bei
allseitiger Fugendicke von 1,5 cm (10 Schichten auf 1 m Mauerhöhe) erfolgte durch "Runderlaß,
betreffend Verwendung von Ziegeln großen Formats. Berlin, den 10. Oktober 1902", veröffentlicht
im "Centralblatt der Bauverwaltung", herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, XXII. Jahrgang 1902,
Berlin, Verlag von Wilhelm Ernst & Sohn; Nr. 85 vom 25. Oktober 1902, Seite 517.
Die Einleitung zu diesem Erlass lautet: "Für monumentale Backsteinbauten, insbesondere für Kirchenbauten,
empfiehlt sich, um ihnen das wirksame Gepräge zu geben, welches die mittelalterlichen Backsteinbauten
auszeichnet, die Verwendung von Ziegeln großen Formates." Die Begriffe "Klosterziegel"
oder "Klosterformat" werden jedoch weder im Runderlass noch im Erläuterungstext zum Erlass
(Oskar Hoßfeld: "Die Einführung einheitlicher Abmessungen für Backsteine großen Formats.",
gleicher Ort, Seiten 521-523) verwendet, wohl aus bau- und religionspolitischen Gründen (siehe unten, Andreas Tacke -
sehr interessant). Einige Hinweise zu historischen Klosterziegeln und Klosterformaten siehe
hier: ►
► Österreich, das
wie die alten süddeutschen und mitteldeutschen Kulturgebiete größere Ziegelformate bevorzugte,
verwendet das deutsche Reichsformat noch heute. Nach vielfachen Debatten
und Änderungen wurde mit der Einführung des metrischen Maßsystems 1872
das offizielle österreichische Ziegelmaß mit 290 x 140 x 65 mm
festgesetzt (Gesetz vom 23.7.1871, am 2.3.1872 bekanntgemacht). Man orientierte sich dabei
wohl lediglich an den alten, seit 1798 geltenden österreichischen Maßen von 11 x 5 1/4 x 2 1/2 Zoll
(1 Wiener Zoll = 2,634 cm), ein Bezug der neuen Maße zu metrischen
Konstruktionsmaßen ist jedenfalls nicht erkennbar, weder beim einzelnen Ziegel noch beim
Mauerwerk insgesamt. Vorteilhaft war allerdings, dass man jetzt eine
Rollschicht mit zwei Flachschichten kombinieren konnte (bei allseitiger
Fugendicke von 1 cm). Erst 1921 wurde in die ÖNORM B 3201 neben dem
großen österreichischen Ziegelformat auch das kleinere deutsche "Alte
Reichsformat" nachrangig aufgenommen, bei einer weiteren Normänderung
1927 wurde das deutsche Format erstrangig gesetzt und das größere österreichische Format
nur noch geduldet. Seit der Neufassung der Norm im Jahr 1948 wird in
Österreich das Format 250 x 120 x 65 mm und damit das
"Deutsche Reichsformat" (RF) endgültig als "Österreichisches
Normalformat" (NF) bezeichnet, es gilt bis heute. Die
Probleme dieses Maßsystems wurden oben bereits beschrieben, im traditionsbewussten Österreich werden sie weiterhin
gepflegt. Interessant im Zusammenhang mit der österreichischen Ziegelgeschichte ist auch das strenge Reglement zur
Kennzeichnungspflicht der Ziegel durch die Hersteller, siehe dazu die
Bildgruppe mit Literaturangabe ganz unten.
► Sachsen hatte bereits
1833 als erster deutscher Staat verbindliche Ziegelformate eingeführt. Durch "Verordnung, das zu
beobachtende Maß der Dach- und Mauerziegel betreffend" vom 9.1.1833
wurde vorgeschrieben, dass die durch "sämmtliche im Lande gelegenen
Ziegeleien" gebrannten Mauerziegel die Maße von 12 x 6 x 3 Zoll
(ca. 283 x 142 x 71 mm) einzuhalten haben. Zu dieser
Zeit hatte im Königreich Sachsen der Zoll 2,36 cm.
Die Verordnung trat am 1.7.1833 in Kraft, publiziert in der "Sammlung
der Gesetze und Verordnungen für das Königreich Sachsen vom Jahre 1833",
Drittes Stück, Seiten 9-11, Hofbuchdruckerei Meinhold und Söhne, Dresden. Den Bauenden stand es weiterhin frei, "bei
Bestellung von ... Mauerziegeln ein anderes Maß zu bedingen." Beachtlich
ist Absatz 4 der Verordnung: "Die in den Ziegeleien, es sei nun auf
vorherige Anzeige eines Beteiligten, oder bei den von Amtswegen
veranstalteten Revisionen sich findenden Vorräthe geringeren Maßes sind
sofort zu zerschlagen." Ganz offensichtlich sollte hier der
Preistreiberei durch immer kleinere Ziegel im Stückverkauf Einhalt
geboten werden, größere Ziegel mussten jedenfalls nicht zerschlagen werden. Auch bei diesen Maßen ergab sich der Nachteil
des daraus entstehenden horizontal nichtmetrischen Mauerwerks, vertikal
entsprach es jedoch schon dem neuzeitlichen Normalformat mit 12
Schichten auf 1 Meter Mauerhöhe. Eine Rollschicht mit zwei
Flachschichten zu kombinieren war allerdings nicht möglich. Auch hat man
wohl das unsinnige Maßverhältnis von 12 x 6 Zoll (Länge x Breite) nicht
ganz ernst genommen, bei exakter Einhaltung dieser Maße ist kein
regelmäßiger Mauerverband möglich. Der sächsischen "Baupolizeiordnung
für Städte und Dörfer" vom 21.3.1870 ist zu entnehmen, dass das "Große
Format" von 12 x 6 Zoll übersetzt wurde mit
28 x 13,5 cm, bei diesem Maßverhältnis ist 1 cm Stoßfuge berücksichtigt.
Vom Recht auf Bestellung abweichender Maße wurde offenbar in
Größenordnung Gebrauch gemacht, so z.B. bei der Ausschreibung ("Concurrenz")
vom 14.11.1845 zur Ziegellieferung für die Göltzschtalbrücke im
sächsischen Vogtland. Vorgegeben war die Lieferung von Ziegeln "nach
Dresdner Maße" 11 3/4 x 5 3/4 x 2 3/4 Zoll (ca. 277 x 136 x 65 mm). Für
die bis heute weltgrößte Ziegelbrücke wurden rund 26 Millionen Ziegel
verbaut. Die Vorgabe "nach Dresdner Maße" besagt, dass nach Dresdner
Zoll gemessen werden sollte. Sowohl der Dresdner Zoll als auch der Leipziger
Zoll hatten 2,36 cm (gerundet auf zwei Stellen nach dem Komma). Am
12.3.1858 wurde per "Gesetz, die Einführung eines allgemeinen
Landgewichts und einige Bestimmungen über das Maaß- und Gewichtswesen im
Allgemeinen betreffend" der Leipziger Fuß mit 0,28319 "Französische
Meter" als Maß im sächsisch-inländischen Verkehr "mit Ausschluß aller
localen Maaße" angeordnet, die Elle zu 2 Fuß, der Fuß geteilt in 12
Zolle zu je 0,0235991 m = gerundet 2,36 cm. Das Gesetz trat am 1.11.1858
in Kraft, publiziert im "Gesetz- und Verordnungsblatt für das Königreich
Sachsen vom Jahre 1858", Siebentes Stück, Nr. 18-19, Seiten 49-82,
Hofbuchdruckerei Meinhold und Söhne, Dresden. Es verursachte enormen
Aufwand hinsichtlich Vorbereitung (Eichwesen usw.), Durchführung und
Kontrolle. So mussten alle Längenmesswerkzeuge des Bauhandwerks
wie Elle, Zollstab, Zollstock (Klappmaß / Klappmaßstab, in Sachsen: Schmiege) sowie
sonstige Maßstäbe neu angeschafft und zur Eichung und Stempelung
vorgelegt werden. Nur wenige Jahre später kamen das metrische Maßsystem
und das Reichsformat für Ziegel (siehe oben).
► Baumeister Lämmerhirt: In den Berliner Adressbüchern der
Jahre 1867-1872 (zugänglich auf der Website der Zentral- und Landesbibliothek Berlin) findet sich der
Königliche Baumeister Adolf Lämmerhirt, er wohnte in der Prinzenstraße 16 (1867) bzw.
Kesselstraße 17e (1872). Nach 1872 erscheint er nicht mehr in den Adressbüchern. Der Titel "Baumeister"
wurde in Preußen aufgrund fachlicher Qualifikation verliehen und war mit öffentlichem Ansehen verbunden; eine
Erwähnung im Berliner Adressbuch war selbstverständlich. Im Bestand des Architekturmuseums der Technischen
Universität Berlin gibt es eine Zeichnung von Adolf Lämmerhirt, geboren 1835, zur "Überführung einer
Röhrenleitung über einen Felseinschnitt. Monatskonkurrenz April 1862", jedoch ohne Bezug zum Thema Ziegel.
Erst die "Deutsche Bauzeitung" (Jahrgang III, Nr.13, März 1869) enthält auf den Seiten 146-148 den
entscheidenden Aufsatz "Ueber die Einführung eines einheitlichen Ziegelformats mit Bezug auf
das Metermaass. Nach Vorträgen im Verein für Fabrikation von Ziegeln und im Architekten-Verein
zu Berlin, von A. Lämmerhirt, Baumeister."
In diesem Beitrag gibt Adolf Lämmerhirt nach einem Überblick über die historische Entwicklung den aktuellen
Stand der Diskussion wieder und begründet seinen Vorschlag zur Einführung des Formats 250 x 120 x 70 mm, beugt
sich allerdings den Bedenken des Vereins für Ziegelfabrikation, schließt sich dem Kompromissvorschlag an und
vertritt von da an gemeinsam mit dem Verein die Forderung nach einem Format von 250 x 120 x 65 mm. Die Diskussion
wurde offenbar über einen längeren Zeitraum sehr intensiv geführt und betraf neben architektonisch-gestalterischen,
konstruktiv-statischen und produktionstechnischen Aspekten auch kulturgeschichtliche und regionaltypische
Besonderheiten. Beispielsweise wurden in den süddeutschen und südostdeutschen Regionen (Bayern, Sachsen,
Schlesien) deutlich größere Ziegelformate bevorzugt als in den nordwestdeutschen Regionen, ohne dass hierfür
klimatische oder sonstige überzeugende Begründungen angeführt werden konnten - aus heutiger Sicht sehr
interessant und fast vergessen. Entsprechende Widerstände regten sich in diesen Regionen gegen das neue
Einheitsformat. Einen Überblick über den zeitgenössischen Stand dieser Diskussion gibt die
"Deutsche Bauzeitung" (Jahrgang III, Nr.22, Mai 1869) auf den Seiten 257-259; im selben Jahrgang
(Nr.51, Dezember 1869) wird auf den Seiten 630-631 über die Beschlussfassung des Architekten-Vereins am
13. November zum neuen Ziegelformat berichtet. Weiterführende Hinweise jeder Art zu diesem Thema werden
dankbar entgegengenommen und gern hier veröffentlicht, Kontaktdaten siehe oben.
Auch in anderen Ausgaben der renommierten und ältesten "Deutschen Bauzeitung" taucht der Berliner
Baumeister A. Lämmerhirt im Zusammenhang mit dem Thema Ziegelherstellung auf, so z.B. in mehreren Heften von
1872 (Jahrgang VI, Nr.11-13), in denen er sich sehr ausführlich und engagiert in einem über drei Ausgaben
gestreckten Aufsatz zu dem damals erbittert geführten Patentstreit um den Hoffmann'schen Ringofen äußert:
"Der Hoffmann'sche Ringofen und die preussische Patent-Kommission. Von Baumeister
Lämmerhirt in Berlin." Das Thema Ziegel und Ziegelproduktion scheint ihn im weitesten Sinne
beschäftigt zu haben.
(Dieser Text wurde hier erstmalig veröffentlicht am 12.3.2011, letzte Ergänzung am
4.3.2024)
Literatur und weitere Informationen:
► Willi F. Bender: Lexikon der Ziegel. Vom Aal-Deckenziegel bis zum Zwischenwandziegel in Wort
und Bild; Bauverlag, Wiesbaden und Berlin 1995 (zweite Auflage); digital im Internet zum Nachschlagen zu finden unter Dachziegelarchiv.de
► Heinrich Ludewig Manger: Die ökonomische Bauwissenschaft zum Unterricht für den Landmann.
Leipzig, bey Johann Friedrich Junius, 1785; Abschnitt "Mauerziegel" ab Seite 34
► David Gilly: Handbuch der Land-Bau-Kunst vorzüglich in Rücksicht auf die Konstruktion der
Wohn- und Wirtschaftsgebäude für angehende Kameral-Baumeister und Oekonomen (Braunschweig 1797), nach zeitgemäßen Anforderungen neu bearbeitet
von Ferdinand Triest, Fünfte Auflage, Braunschweig 1831; ab Seite 73: Von den geformten und gebrannten Ziegeln (sehr ausführlich
zur Herstellung); Seite 99: Ziegelformate
► August Ferdinand Triest: Grundsätze zur Anfertigung richtiger Anschläge welche die
Landbaukunst in sich begreift. Erster Band. Im Kunst- und Industrie-Comptoir, Berlin 1809; ab Seite 120
► Udo Bode: Märkische Ziegel im 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Enthalten
in: Ernst Badstübner / Dirk Schumann (Herausgeber): Backsteintechnologien in Mittelalter und Neuzeit. Studien zur
Backsteinarchitektur, Band 4; Lukas Verlag, Berlin 2003; ab Seite 347
► Rudolf Ahnert / Karl Heinz Krause unter Mitarbeit von Ernst Maier und Willi Mönck:
Typische Baukonstruktionen von 1860 bis 1960 zur Beurteilung der vorhandenen Bausubstanz, Band 1: Gründungen, Wände, Decken,
Dachtragwerke; Verlag für Bauwesen / Bauverlag, Wiesbaden und Berlin 1991
► Regeln für die Lieferung und Prüfung von Mauerziegeln (Backsteinen). Erlass des
Ministers der öffentlichen Arbeiten vom 8. Dezember 1919, veröffentlicht im Zentralblatt der Bauverwaltung, herausgegeben im Ministerium
der öffentlichen Arbeiten, Nr.1, Berlin, 3. Januar 1920, Seite 1 (Amtliche Mitteilungen)
► Otto Frick / Karl Knöll: Die Konstruktion von Hochbauten. Ein Handbuch für den
Baufachmann. Zwei Teile in einem Bande mit 584 Abbildungen im Text. Fünfte neubearbeitete Auflage. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH,
1927; Ziegelformate auf den Seiten 5 und 8. Ein hervorragender Überblick über den Stand des Bauwesens in der Zwischenkriegszeit incl.
der zu dieser Zeit bereits aktuellen und auf das Mauerwerk bezogenen DIN-Normung.
► Udo Meyer / Michael Gierga: Bauen im Bestand ‒ Materialkennwerte
von historischem Ziegelmauerwerk. Enthalten in: Mauerwerk 16 (2012), Heft 4, Ernst & Sohn Verlag für Architektur
und technische Wissenschaften, Berlin 2012; Seiten 201-205 (siehe direkt hier:
►), Quelle: Bundesverband
der Deutschen Ziegelindustrie, www.ziegel.de
► Mila Schrader: Mauerziegel als historisches Baumaterial. Ein Materialleitfaden
und Ratgeber. Edition :anderweit, Suderburg-Hösseringen 1997; unter anderem ab Seite 163
► Gerhard Zsutty: Zur Einführung eines einheitlichen Ziegelmaßes in Österreich.
Aufsatz in der Fachzeitschrift "Restaurator im Handwerk", Heft 4/2015, Seiten 44-46
► Johannes Schlender: Über das Messen von Längen vor 1872.
Aufsatz in der Fachzeitschrift "Restaurator im Handwerk", Heft 3/2015, Seiten 24-27; ein guter Überblick mit diversen
Fotos historischer Messwerkzeuge, unter anderem Ellen und Zollstöcke auch für das Bauhandwerk
► Andreas Tacke: Klosterziegel contra Reichsziegel. Überlegungen zur Ikonographie und
Ikonologie der Berliner Architektur und bildenden Kunst des späten Historismus. Aufsatz in "Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums"
1995, Seiten 141-159
► Der Lehm beim bäuerlichen Hausbau ‒ Feldbrandziegelei. Ein historischer
Film aus dem Jahr 1963, bereitgestellt durch die Volkskundliche Arbeitsstelle des Landschaftsverbandes Rheinland beim Institut für
Geschichtliche Landeskunde an der Universität Bonn, wissenschaftliche Bearbeitung durch Dr. G. Simons, zu finden auf YouTube, siehe
direkt hier: ► (Stand:
24.11.2023). Die Aufnahmen zeigen die Arbeiten einer historischen Feldbrandziegelei. Es sind Bilder des Landschaftsverbandes
Rheinland von 1963 aus Sabershausen im Hunsrück. So hat man um 1850 an vielen Orten im ländlichen Raum grobe Ziegel gebrannt
für den eigenen Bedarf, z.B. für Ausfachungen unter Putz beim Fachwerkbau oder für verputzte Massivbauten. Ein außerordentlich
interessanter und detailreicher Film mit Kommentar, Dauer etwa 47 Minuten, leider wie üblich bei YouTube mit vorgeschalteter
und gelegentlich zwischengeschalteter Fremdwerbung, die in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt des Films steht.
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Ziegelmauerwerk, Altmauerwerk
von 1897 im Originalzustand, feinfugig und sehr sauber
im Kreuzverband ausgeführtes Sichtmauerwerk als
Vorsatzmauerwerk in besserer Ziegelqualität, Ziegelmaße um 240 x 115 x
65 mm (also in etwa neues Reichsformat); Nebengebäude zum ehemaligen
Gasthaus "Stadtgarten", Karl-Marx-Straße 103, im historischen
Stadtzentrum von Neuruppin (Brandenburg); Baudenkmal; Aufnahmedatum: 6.10.2014
Ziegelmauerwerk,
Altmauerwerk um 1880/1890, sehr unsauber verarbeitetes Mauerwerk annähernd
im Kreuzverband, vielfach repariert, Ziegelmaße mit starken Schwankungen um
250 x 120 x 65 mm (altes Reichsformat, siehe oben); fensterlose Rückseite / Friedhofseite des
katholischen Pfarramtes in Bad Muskau (Landkreis Görlitz; Sachsen), Berliner Straße, ursprünglich
eine Schule; unklar bleibt, ob diese Wand als Sichtmauerwerk konzipiert oder für einen eventuellen
späteren Anbau vorgesehen war oder ob sie als Grenzwand zum evangelischen Friedhof einfach nur
nachlässig errichtet wurde; Aufnahmedatum: 15.7.2018
Ziegelmauerwerk, Altmauerwerk wohl
um 1900 in Beelitz (Landkreis Potsdam-Mittelmark; Brandenburg),
rückseitige Hofmauer zum Grundstück Poststraße 15, Ansicht von der Mauerstraße aus;
Ziegel offenbar noch aus traditioneller Handfertigung, teils mit Quetschfalten
(Handstrichziegel, Handschlagziegel), Ziegelmaße mit Schwankungen um 250 x 120 x 63...65 mm
(altes Reichsformat, siehe oben). Das Mauerwerk ist unsauber und nicht im regulären Verband
gemauert, Reparaturverfugungen aus unterschiedlichen Zeiten, Ziegelflächen teilweise
abgewittert oder durch Hochdruckreiniger / Kärcher beschädigt. Entweder handelt es sich
um die Restmauer eines ehemaligen rückwärtigen Wirtschaftsgebäudes zum Hof (z.B. Scheune)
oder um eine aus dem Abbruchmaterial dieses Gebäudes vor langer Zeit neu errichtete
Hofmauer. Aufnahmedatum: 14.7.2022
Ziegelmauerwerk,
Altmauerwerk von 1908 im Blockverband, offenbar alles Originalzustand; Dorfkirche in
Hinzdorf (Westprignitz; Brandenburg); Aufnahmedatum: 5.10.2007
Ziegelmauerwerk,
Altmauerwerk von 1905 im unveränderten Originalzustand, deutlich durch
Umwelteinflüsse verschmutzt, gemauert als "Gotischer
Verband" (2 Läufer und 1 Binder / Kopf im Wechsel, Binder
hier jeweils mittig über einem Läufer, eine von mehreren Varianten dieses Mauerverbandes);
neogotische Dorfkirche in Neulögow (Ortsteil von Gransee, Landkreis Oberhavel; Brandenburg); Aufnahmedatum: 9.9.2007
Ziegelmauerwerk,
Altmauerwerk vmtl. um 1900 im Originalzustand; zweifarbiges
Ziermauerwerk an einem ehemaligen Wohnhaus für Gutsarbeiter zum Gut
Krampfer (Prignitz, Westprignitz; Brandenburg); die zur Ornamentierung
verwendeten dunklen Binderziegel sind Ziegel mit "verbrannten" und
gerissenen Kopfseiten, welche in den kleinen ländlichen Ziegeleien meist
durch ungleichmäßigen Kohlebrand an den heißesten Stellen im Brennofen
entstanden - mehr oder weniger zufällig durch unkontrollierten Fehlbrand, häufig aber
auch geplant durch Auftragen von Ascheschlämme, Engobe, Öl-Ruß-Mischung, Teer bzw.
Pech u.ä. Substanzen auf der Kopfseite des Rohziegels vor dem Brennen; hinsichtlich
Fugenbild handelt es sich um einen unsauber ausgeführten
Kreuzverband; Aufnahmedatum: 19.9.2007
Ziegelmauerwerk, Altmauerwerk um 1900
im Kreuzverband, vor längerer Zeit (vmtl. Anfang 1990er Jahre) gereinigt
und neu verfugt, inzwischen durch Umwelteinflüsse wieder etwas nachgedunkelt, Farbschwankungen
durch unterschiedliche Temperaturen beim Brennvorgang (Oberflächen teils "verbrannt",
siehe oben); das Material gehörte nicht zur besten Qualität und war nicht für den Einsatz an
Straßenfassaden vorgesehen; Giebelseite eines Mehrfamilienhauses / Mietshauses in Velten
(Landkreis Oberhavel; Brandenburg); das mehrgeschossige Wohnhaus besitzt eine Putz-Stuck-Fassade
als Straßenfassade, nur Giebelseiten und Hofseite wurden aus Ziegelsichtmauerwerk erstellt. Die
Bildserie ist sehr gut zur Herstellung von nahtlos kachelbaren Texturen für CAD-Programme
geeignet. Aufnahmedatum: 24.3.2011
► Hinweis: Die gelben Ziegel waren typisch
für die Lehmgruben in der Region nördlich von Berlin, besonders um Velten und
Birkenwerder, sie haben bis zur Mitte des 20.Jahrhunderts ganze Ortsbilder geprägt. Leider wird
das von den Städten und Gemeinden im Landkreis Oberhavel bei der Ortsbildpflege in keiner Weise
beachtet, hier fehlt offenbar vollständig das Gefühl für regionale Besonderheiten, die sich auch
touristisch gut vermarkten ließen. Inzwischen entstehen überall Neubauten mit roten Verblendern
- obwohl gelbe Verblender zum gleichen Preis zu haben sind. Schade.
Ziegelmauerwerk,
Altmauerwerk um 1910 als Sichtmauerwerk im Kreuzverband,
in jüngster Vergangenheit neu verfugt; kleines flaches norddeutsches
Ziegelformat (leider vor Ort nicht gemessen); Gebäude im Zentrum von
Quakenbrück (Niedersachsen); Aufnahmedatum: 28.9.2007
Ziegelzeichen / Ziegelstempel auf
österreichischen Ziegeln im Wiener Ziegelmuseum (Wien; Österreich),
vorrangig von Herstellern aus der Region Wien / Niederösterreich, aber auch aus anderen
Regionen Österreichs sowie aus verschiedenen anderen Staaten. Interessant ist dabei die
Tatsache, dass Ziegel in Österreich nicht wie in Deutschland durch gelegentlichen
Stempeleindruck nach dem Ausformen auf den Stirnseiten der Ziegel gekennzeichnet wurden
sondern fast ausschließlich durch in die hölzernen Modeln (Ziegelformen) auf der Flachseite
(Lagerseite, Unterseite) eingeschnittene Zeichen oder aufgeschraubte geprägte Metallplatten.
In Österreich war dadurch jeder einzelne Ziegel gekennzeichnet, soweit der Hersteller die
1825 für Niederösterreich unter der Enns eingeführte und wohl auch mit Nachdruck
durchgesetzte Kennzeichnungspflicht beachtet hat. Besonders fallen dabei die aufwendig
gestalteten Ziegel aus dem 19.Jahrhundert auf mit kaiserlich-königlichem Doppeladler und
den jeweiligen Initialen der Hersteller. Alle Aufnahmen mit freundlicher Genehmigung der
Museumsleitung, die Veröffentlichung der Bilder hier auf der Website erfolgt rein
informell, nicht zum Verkauf; Aufnahmedatum: 7.10.2018
Literatur:
► Gerhard Zsutty: Ziegelzeichen - Ziegelstempel. Zur Erforschung der Zeichen auf
Ziegelprodukten in Österreich. Museumsblatt "Wiener Ziegelmuseum", Heft 20, 2017. Herausgegeben durch das Wiener Ziegelmuseum, Museumsverein
Penzing, Penzinger Straße 59, 1140 Wien
► Christian Ferdinand Ramml: Ziegelöfen und Lehmabbaue der politischen Bezirke Mistelbach und
Gänserndorf (Niederösterreich) - Geschichte und Geologie. Mit einem Beitrag von Thomas Hofmann und Ingeborg Wimmer-Frey.
Mit 230 Abbildungen, 1.282 Ziegelfotos, 1 Anhang und 1 Beilage. Archiv für Lagerstättenforschung der Geologischen Bundesanstalt, Band 27,
Seiten 3-384, Wien 2014
► Wer die Stadt Wien aus
architekturgeschichtlichem Interesse besucht, sollte sich natürlich mit
dem herausragenden Architekten Otto Wagner und seinen Bauten besonders aus
der Zeit des Jugendstil beschäftigen. Er sollte aber unbedingt auch das
kleine und in seiner Art wohl einzigartige Wiener Ziegelmuseum
besuchen im Bezirk Penzing (14. Bezirk), nur zwei Gehminuten entfernt
von der U-Bahnstation Hietzing (Linie U4). Ein Besuch in diesem Museum
und ein Gespräch mit dem leidenschaftlichen Ziegelforscher, Ziegelsammler und
Leiter des Museums, Dr. Gerhard Zsutty, wird für immer im
Gedächtnis bleiben. Wer sich ernsthaft für Ziegel und Ziegeleigeschichte
interessiert, muss die nur knapp zur Verfügung stehende Besuchszeit
nutzen. Das Ziegelmuseum ist im Bezirksmuseum Penzing untergebracht, der
Besuch ist kostenlos, aber nur am jeweils ersten und dritten Sonntag im
Monat von 10.oo-12.oo Uhr möglich, die Betreuung wird in ehrenamtlicher Arbeit
durch fachlich versierte Pensionäre geleistet. Weitere (leider nur wenige) Angaben
findet man unter www.bezirksmuseum.at/de/sondermuseum_ziegel/sondermuseum/
Gesammelt werden neben gestempelten / gekennzeichneten Mauerziegeln auch andere
mit der Ziegelherstellung in Verbindung stehende baukeramische Produkte, so z.B.
Dachziegel, Bodenplatten und spezielle Formziegel. Die Sammlung umfasst aktuell
etwa 13.000 Objekte, aus Platzgründen kann nur ein Teil ausgestellt werden,
ergänzt durch verschiedenste Informationen zur Geschichte der Ziegelherstellung,
historische Stadtpläne mit den Standorten der Ziegeleien, Gebäudemodelle von
Ziegeleien und Brennöfen, usw. Den Schwerpunkt von Sammlung und Forschung bilden
Ziegel mit eingeprägten bzw. aufgeprägten Kennzeichnungen. Die Besucher sind
aufgefordert, gestempelte Ziegel aus ihrer Heimat als Spende mitzubringen.
Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, dass der weltgrößte
Ziegelhersteller, die Firma Wienerberger, ein international
agierender Konzern, 1819 am Wienerberg südlich
von Wien durch den Bauingenieur Alois Miesbach (1791-1857) gegründet wurde.
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