Städtebau   Architektur   Baukunst   Ingenieurbau   Konstruktion   Denkmalpflege   Baugeschichte   Kulturgeschichte

 

 

Fotografie und Architektur      Fotografie und Landschaft      Impressum und Datenschutz 

 

 

Themenseite

 




Bevölkerungs- und Wirtschaftsverhältnisse im Amt Lübben
in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts

 
von Erwin Seemel

Der folgende Aufsatz zur ländlichen und bäuerlichen Sozialgeschichte der damals sächsischen Niederlausitz ist dem Heimatkalender 1958 für den Spreewaldkreis Lübben entnommen, Seiten 40-45 (siehe unten).

Erwin Seemel (1916-1999) war studierter Archivar und Historiker, ab 1950 tätig im Landesarchiv Lübben, 1966 bis 1982 Leiter des Stadtarchivs Cottbus. Er hat durch viele Publikationen und ehrenamtliche Mitarbeit in Vereinen und Archiven zur Erforschung der Geschichte der Niederlausitz beigetragen.

 



Die Umgestaltung und Neuordnung der Niederlausitzischen Landesbehörden unter Christian I. von Sachsen-Merseburg im Jahre 1666, die an Stelle des jahrhundertealten Landvogteiamtes die Oberamtsregierung als oberste Verwaltungsbehörde der Niederlausitz treten ließ, war auch die Geburtsstunde des fürstlichen Amtes Lübben. Aus den bis dahin als "Landvogtei- oder Küchendörfer" bezeichneten Ortschaften, die den Landvögten für ihren Unterhalt zur Nutzung überlassen waren, wurde nunmehr das Amt Lübben gebildet. Es bestand aus den neun Dörfern Klein-Lubolz, Steinkirchen, Hartmannsdorf, Gröditsch, Schlepzig, Kuschkow, Dürrenhofe, Krugau und Biebersdorf im Krumspreeischen (Lübbener) Kreis und den vier Dörfern Werchow, Missen, Gosda und Sähritz im Calauischen Kreis.

Um das Jahr 1676 erwarb die Fürstlich-Sächsische Rentkammer des weiteren einen Anteil an dem bei Lübben gelegenen Dorfe Treppendorf und im Jahre 1714 kam ebenfalls durch Kauf das Dorf Weißagk im Calauischen Kreis hinzu, so dass die Zahl der Amtsdörfer im 18. Jahrhundert insgesamt 14 ½ betrug Für diese Dörfer bestand von jeher die Einrichtung, dass sie bei Erhebung der gewöhnlichen Steuern in Friedenszeiten von allen Abgaben befreit waren und nur bei außerordentlichen und Kriegssteuern zu ihrem Teile beizutragen hatten.

Ausgangspunkt zur Untersuchung der Bevölkerungs- und Wirtschaftsverhältnisse der Lübbener Amtseinwohner bildet die Anfang des 18.Jahrhunderts erfolgte Revidierung der gesamten Ämter im Markgraftum Niederlausitz. Die Veranlassung hierzu war eine Überprüfung des gesamten Abgabensystems der Niederlausitzer Ämter. Beim Amt Lübben wurde mit der Revision der Anfang gemacht, sie erstreckte sich über das ganze Jahr 1716 hin. Das vorhandene Quellenmaterial (Brandenburgisches Landeshauptarchiv, Potsdam, Rep.7 Amt Lübben Nr.74 und 75) birgt eine Fülle von Einzelheiten zur rechtlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lage der bäuerlichen Bevölkerung des Amtes, die nach den Gesichtspunkten der Bevölkerungsstruktur, der Besitz- und Eigentumsverhältnisse und der bäuerlichen Lasten näher untersucht werden sollen.

Hauptgruppen der ländlichen Bevölkerung

Die soziale Zusammensetzung der ländlichen Bevölkerung des Amtes Lübben, wie überhaupt in der Niederlausitz, wird durch die drei Hauptgruppen Bauern, Kossäten und Büdner bestimmt. So einheitlich diese ganze Bevölkerungsschichtung bei oberflächlicher Betrachtung erscheint, ist sie doch in sich durch verschiedene Untergruppen differenziert. Als erste dieser besonderen Gruppen bei den Bauern sind zunächst die Besitzer von Bauernlehen zu nennen. Die Bauernlehen waren Bauernstellen, die zu Lehnrecht ausgegeben wurden. Aus der Amtsuntersuchung geht hervor, dass in sämtlichen ehemaligen Landvogteidörfern Lehnbauern saßen. So finden wir in Klein-Lubolz, Schlepzig, Dürrenhofe, Kuschkow, Krugau, Gröditsch und Biebersdorf je einen Richter und einen Lehmann, während Hartmannsdorf außerdem noch zwei halbe Lehnleute aufzuweisen hatte; in Steinkirchen dagegen war nur ein Lehnbauer, der Richter, vorhanden.

Die Amtsdörfer Werchow, Missen und Gosda im Calauischen Kreis verzeichnen auch nur einen Lehnmann, den Lehnrichter, während in Sähritz ein Richter und ein Lehmann nachgewiesen werden. In den beiden neu erworbenen Amtsdörfern Treppendorf und Weißagk dagegen waren keine Lehngüter vorhanden.

Namensgebung und Hofnamen bei Lehnleuten

In diesem Zusammenhang seien einige Worte zu der in jedem Dorf auftretenden Namensbezeichnung "Richter" und "Lehmann", wie überhaupt zur Namensforschung in der Niederlausitz gesagt. Anlässlich des Beginns der Amtsuntersuchung sagt der Lübbener Amtsschreiber folgendes aus: "Die Namen der Untertanen individualiter (individuell) anzugeben, ist hiesiger Landesgewohnheit nach nicht möglich, denn die Untertanen bekommen alle ihre Namen nach dem Gut, und wenngleich ein neuer Untertan, der einen anderen Tauf- und Zunamen hatte, ein Gut annimmt, so behält er solchen seinen Namen nicht, sondern bekommt seinen Namen von dem angenommenen Gute." Wir erhalten mit dieser Aussage eine wertvolle Bestätigung dessen, was bisher unter dem Begriff der Torsäulennamen bekannt war. Damit ist der Beweis erbracht, dass diese Namensänderungen in der gesamten bäuerlichen Sphäre der Niederlausitz gebräuchlich waren. An einigen Beispielen soll diese Feststellung erhärtet werden.

Bei der Überprüfung des Richtergutes in Dürrenhofe wurde ein Vergleich aus dem Jahre 1698 vorgelegt, aus dem hervorging, dass nach dem Tode des damaligen Besitzers ein Sohn des Krügers zu Niewisch, Hans Bogula, durch Heirat der ältesten Tochter des Hofes, das Gut übernommen hatte. Die hinterlassenen Söhne des verstorbenen Besitzers waren noch minderjährig. Seit Übernahme des Gutes erscheint der neue Besitzer ständig unter dem Namen Hans Richter.

Ein ähnlicher Fall wird bei dem Richtergut zu Biebersdorf erwähnt. Auch hier heiratete ein Fremder, Martin Kolowatz aus Schlepzig, in das Richtergut ein. In einem Vergleich verpflichtet sich der alte Richter, seinem zukünftigen Schwiegersohn nach einer gewissen Zeit den Hof zu überlassen. Auch dieser Kolowatz wird in Zukunft nur Richter genannt.

Ganze und halbe Bauern

Neben den anfangs beschriebenen Lehnleuten finden wir als weiteren und umfangreichsten Bestandteil der ersten Hauptgruppe in sämtlichen Dörfern des Amtes Lübben die Bauern vertreten, d. h. die Schicht, die wir als Ganz- oder Vollbauern bezeichnen, da jeder von ihnen mindestens eine Hufe (alte Maßeinheit des bäuerlichen Grundbesitzanteils von landschaftlich verschiedener Größe) Land besaß. Der Ausdruck Hüfner ist im Amt Lübben nicht gebräuchlich, lediglich für die halben Bauern finden wir in Klein-Lubolz und Steinkirchen den Begriff Halbhüfner, während sie in Schlepzig als halbe Bauern aufgeführt sind. Nur in diesen drei Dörfern ist diese Schicht vertreten, die eine Mittelstellung zwischen den Bauern und der nächsten Hauptgruppe, den Kossäten, die in sämtlichen Dörfern vorhanden sind, einnimmt.

Büdner und Hausgenossen

Die letzte Hauptgruppe, die Büdner, gliedern sich in alte und neue Büdner bzw. in Groß- und Kleinbüdner. Wir finden diese Differenzierung aber nur in den Amtsdörfern des Lübbener Kreises, während die im Calauischen Kreise gelegenen vier Amtsdörfer diese Unterschiede nicht aufweisen. Rechnet man die Büdner, sowie die unterste Schicht der ländlichen Bevölkerung, die Hausgenossen, zwar nicht zu den bäuerlichen Schichten, so müssen doch auch sie in der Gesamtgliederung der Dorfbewohner in ihrer wirtschaftlichen Stellung und Bedeutung erwähnt und gekennzeichnet werden. Es waren meistens Dorfhandwerker und landwirtschaftliche Arbeiter; außer ihrer Tagelöhnerarbeit und handwerklichen Beschäftigung besaßen sie mitunter etwas Land und Vieh.

Eine tabellarische Zusammenstellung der bäuerlichen Bevölkerungsschichten in den Amtsdörfern vermittelt folgendes Bild:

Dörfer im Amt Lübben

Lehnbauern

Bauern

Halbbauern

Kossäten

Büdner

Summe

Klein-Lubolz

2

5

2

10

11

30

Steinkirchen

1

6

3

8

43

61

Treppendorf

-

4

-

6

3

13

Hartmannsdorf

2 + 2 halbe Lehnleute

8

-

4

17

33

Gröditsch

2

10

-

1

9

22

Schlepzig

2

8

3

15

23

51

Kuschkow

2

10

-

4

14

30

Dürrenhofe

2

6

-

5

13

26

Krugau

2

11

-

4

17

34

Biebersdorf

2

8

-

6

17

33

Werchow

1

8

-

6

10

25

Missen

-

15

-

4

2

21

Gosda

1

-

-

10

3

14

Sähritz

2

6

-

2

1

11

Weißagk

-

18

-

4

5

27


Im Amt Lübben waren demnach vorhanden: 24 Lehnbauern, 123 Bauern, 8 halbe Bauern, 89 Kossäten und 188 Büdner. Es ergibt sich also, dass die Bauern 63 Prozent und die Kossäten 37 Prozent der gesamten Wirtschaften ausmachen. Wir haben es also im Amt Lübben mit ausgesprochenen Bauerndörfern zu tun.

Hufenschlag und Grundbesitz

Bei der folgenden Betrachtung der bäuerlichen Besitz- und Eigentumsverhältnisse gibt wiederum die Wirtschaftsuntersuchung des Jahres 1716 wertvolles und aufschlussreiches Material. Auch im Amt Lübben bildete die Hufe, als wirtschaftliche Einheit gedacht, den Ausgangspunkt zur Untersuchung der bäuerlichen Besitzrechte. Der Umfang der bäuerlichen Güter war örtlich verschieden. Den größten Besitz hatten die Lehnbauern inne. Die Richter in sämtlichen Amtsdörfern, mit Ausnahme des Richtergutes in Missen im Calauischen Kreis, besaßen zwei Hufen Acker, den gleichen Umfang hatten die Besitzungen der anderen Lehnbauern in Schlepzig, Kuschkow und Dürrenhofe, während in Klein-Lubolz, Gröditsch, Krugau und Biebersdorf das Lehmanngut eine Hufe groß war. Bei den Ganz- oder Vollbauern im Lübbener Kreis finden wir eine starke Gleichmäßigkeit des Besitzes. In sieben von zehn Dörfern besitzt das Bauerngut eine Größe von einer Hufe. In Treppendorf sind es 1 ½ Hufe, für Klein-Lubolz liegt für die fünf Bauern des Ortes eine Hufenzahl von sieben vor, während von Steinkirchen berichtet wird, dass die Bauern dort keinen ordentlichen Hufenschlag hätten, sondern ein jeder säe ungefähr 16 Scheffel Lübbener Maß jährlich aus. Dagegen ist das Besitztum der Amtsbauern im Calauischen Kreise weitgehend ungleichmäßig. Das schon erwähnte Lehnrichtergut in Missen besaß 3 ½ Hufen, die größte Hufenzahl überhaupt im Amt. In Gosda gab es außer dem Lehnbauer, der wie alle anderen zwei Hufen besaß, nur Kossäten.

Kossäten und Büdner

In den Besitzverhältnissen der zweiten bäuerlichen Schicht, der Kossäten im Lübbener und Calauischen Kreis bestanden grundlegende Unterschiede. Während die Kossäten in den Amtsdörfern des Lübbener Kreises fast überall am Hufenschlag (Bezeichnung für Anteil an der Dorfgemarkung) beteiligt waren und ein jeder von ihnen ½ Hufe Land besaß (Ausnahmen bildeten lediglich Klein-Lubolz, Dürrenhofe und Steinkirchen) wird von den Amtsdörfern Werchow, Missen, Gosda und Sähritz ausdrücklich gesagt, dass die Kossäten keinen Acker besitzen, sondern nur Gärten, also den Gärtnern zu vergleichen sind.

Die Kossäten in den Amtsdörfern des Calauischen Kreises nähern sich demnach in ihren Besitzverhältnissen der letzten Bevölkerungsschicht, den Büdnern. Diese waren, wie ja auch schon der Name sagt, im Besitz einer Bude oder eines kleinen Häuschens, im Prinzip ohne landwirtschaftlichen Betrieb. Doch gehörte zu dem Haus meistens ein Garten, wodurch die Grenze gegenüber den Gärtnern (Kossäten) verwischt war. In Kuschkow hatten die alten Büdner sogar etwas Feld, in Dürrenhofe hielten sie sich darüber hinaus auch Gespann.

Hausgenossen als Mieter

Die Hausgenossen wohnten als Untermieter bei den Bauern, hatten also noch nicht einmal ein eigenes Haus. Aber auch hier treffen wir Übergänge und Unterschiede an. Zuweilen besaßen auch Hausgenossen pachtweise etwas Land, ja sogar Vieh. Aus Klein-Lubolz wird berichtet, dass sie sich Kühe hielten, ungeachtet sie nicht einen Fingerbreit an Hütung und Gräserei hätten und dadurch der Gemeinde nicht geringen Schaden zufügten. In Hartmannsdorf mussten die Hausgenossen, die sich Vieh hielten, für jedes Stück der Gemeinde 6 Groschen abgeben, was aber von der Kommission verboten wurde.

Dass der natürliche Drang der beiden untersten sozialen Schichten, der Büdner wie der Hausgenossen, dahin ging, ihre Lage durch Erwerb von Land und Erweiterung ihres Viehbestandes, wie auch Hüte- und Weidegerechtigkeiten zu verbessern, ist verständlich, ebenso, dass dieses Streben auf den Widerstand der anderen Dorfbewohner stoßen musste. Auf der anderen Seite lässt sich ein Entgegenkommen der Bauern, wie es die Beispiele in Kuschkow und Dürrenhofe zeigen, daraus erklären, dass diese ja am Vorhandensein und der Leistungsfähigkeit dieser Schichten, die die Tagelöhner, das Gesinde und die Dorfhandwerker stellten, ein eigenes reges Interesse hatten.

Lassiten und Lassrecht

Im Gegensatz zu den Herrschafts- und Gutsbauern in der Niederlausitz, die besitzrechtlich ziemlich allgemein und unterschiedslos zu Lassiten herabgedrückt waren, finden wir im Amt Lübben die Form des Erbzinsgutes (Gut, das erblich ist und gegen einen Zins ausgetan wird) vorherrschend. Lassiten sind Lassbauern (Laßbauern) mit nur lebenslänglichen - wenn auch in der Regel tatsächlich vererbten, d.h. in der Familie bleibenden - oder beliebig kündbarem, widerruflichem Nutzungsrecht. Alle diese Bauern sind hauptsächlich wegen der Dienste, die sie leisten müssen, persönlich untertänig, "erbuntertänig", an die Scholle, d.h. das herrschaftliche Gut, die Herrschaft, gefesselt.

Daneben gab es aber noch Grundstücke, die zu Lassrecht (Laßrecht) vergeben wurden. Und zwar handelt es sich hier so gut wie ausschließlich um kleine minderwertige Ackerstücke, vornehmlich um Wiesen-, Wald- und Heidestücke, die außerhalb der eigentlichen Dorfflur lagen. Besitzer solcher Lassstücke (Laßstücke) waren hauptsächlich Büdner, die auf diese Weise überhaupt erst die Möglichkeit hatten, etwas Land zu erwerben. Die Besichtigung der Felder hatte in sämtlichen Dorfschaften des Amtes ergeben, dass sich die Untertanen eigenmächtigerweise Äcker angeeignet bzw. diese selbst erweitert hatten, ohne Lasszins (Laßzins) an das Amt abzuführen.

Frondienste, Abgaben und Ablösung der Dienste

Damit berühren wir den letzten Abschnitt unseres Fragenkomplexes im Amt Lübben, die bäuerlichen Verpflichtungen bzw. die Frondienste, die neben den Abgaben auf den Gütern der Untertanen lagen. Waren schon die Besitzverhältnisse in den einzelnen Gebieten des Amtes unterschiedlicher Art, so stellen wir bei den bäuerlichen Verpflichtungen eine Mannigfaltigkeit von Dorf zu Dorf fest, die uns zwingt, auf lokale Einzelheiten einzugehen. Zur Charakterisierung der Dienstleistungen ist eingangs zu vermerken, dass sich im Amtsbereich vier Vorwerke befanden. Zwei von ihnen, die Vorwerke in Steinkirchen und in Schlepzig, waren in Zeitpacht ausgetan, während das Schlossvorwerk in Lübben und das Vorwerk in Klein-Lubolz vom Amt bewirtschaftet wurden. Das Letztere bestand aus 6 Hufen Land, hatte eine Schäferei, die 700 Stück Schafe halten konnte, außerdem 30 Kühe und 18 Ochsen. Das verpachtete Vorwerk in Schlepzig besaß gleichfalls eine Schäferei mit einem Bestand von 400 Schafen.

Als besondere Eigenart fällt im Amtsgebiet die zu dieser Zeit schon in fast allen Orten bestehende Ablösung der Dienste durch Dienstgeld auf. In 11 von 15 Amtsdörfern waren die Dienste sämtlicher Untertanen in Zahlung eines Dienstgeldes umgewandelt. Im einzelnen bietet sich uns folgendes Bild: Abgesehen von dem Lehnrichter in Steinkirchen, gaben sämtliche Lehnbauern des Amtes Dienstgeld. Im Lübbener Kreis betrug es im Durchschnitt für den Richter 12 Taler und für den Lehmann 10 Taler, für die halben Lehnleute die Hälfte, während die Lehnbauern im Calauischen Kreise eine weit geringere Summe, im allgemeinen 2 Taler zu zahlen hatten. Das Lehnrichtergut in Missen machte eine Ausnahme, indem es als freies Mannlehngut von allen Diensten und Abgaben befreit war.

In früheren Zeiten mussten die Lehnbauern mit zwei Pferden, die halben mit einem Pferd ihre Land- und Lehnfuhren dem Amte leisten, so weit und wohin ihnen zu fahren befohlen wurde, wie es der Richter zu Steinkirchen zur Zeit noch schuldig war. Die Bauern in Gröditsch, Kuschkow, Dürrenhofe, Krugau und Treppendorf zahlten jährlich 8 Taler Dienstgeld, waren aber darüber hinaus noch verpflichtet, auf den Vorwerken in der Ernte vier Wochen mit der Hand zu dienen und im Frühjahr zwei Wochen Mist zu fahren. Die vier Treppendorfer Bauern, von denen zwei, darunter der Richter, Wechselbauern genannt wurden, da sie abwechselnd ein Jahr dem Amt, das andere dem Rat zu Lübben ihre Abgaben bzw. Dienste zu leisten hatten, taten nur 14 Tage Dienste auf dem Klein-Lubolzer Vorwerk, in Biebersdorf waren diese Erntedienste bereits ab 1691 ebenfalls in eine Geldrente umgewandelt worden.

Ebenfalls waren die meisten Verpflichtungen der Kossäten und Büdner in den vorgenannten Dörfern abgelöst. Die Kossäten zahlten in der Regel 6 Taler, mit Ausnahme von Biebersdorf mit 7 und Treppendorf mit 4 Talern, für die Büdner schwankte die Summe zwischen einem und 3 Talern. Auch diese Gruppen waren außerdem verpflichtet, gewisse Dienste auf den Vorwerken zu verrichten, außer dreiwöchentlichen Erntearbeiten mit der Hand mussten die Kossäten in Gröditsch nach Klein-Lubolz zum Schafscheren gehen, die Kuschkower und Dürrenhofer zwei Tage Flachs wieten und gleichfalls zwei Tage Schafe scheren, während die Kossäten in Krugau bei der Weinlese halfen. Die Büdner hatten die Aufgabe, bei den Vorwerken den Flachs zu wieten, raufen, rüffeln und einzurosten, auch die Schafe zu scheren, ferner einen Tag in der Ernte zu mähen. Im ganzen Amt war in der Erntezeit aus jedem Hause eine Person verpflichtet, einen Tag zu mähen. Die Hausgenossen schließlich zahlten 6 Groschen Spinngeld oder mussten dafür zwei Stück Garn spinnen.

Im Gegensatz zu diesen eben geschilderten Verhältnissen waren die Untertanen der restlichen im Lübbener Kreis gelegenen Dörfer Klein-Lubolz, Hartmannsdorf, Schlepzig und Steinkirchen zum überwiegenden Teil zur Ableistung von Hofdiensten verpflichtet.

Die Tatsache, dass nur in wenigen Amtsdörfern die Untertanen zu Hofdienste herangezogen wurden, während im überwiegenden Maße diese Verpflichtungen durch Geld abgelöst waren, erfordert eine Erklärung. Wir finden sie, wenn wir die Lage der Ortschaften bzw. der Vorwerke im Amt betrachten. Steinkirchen, Hartmannsdorf, Schlepzig und Klein-Lubolz lagen in unmittelbarer Nähe des Lübbener Amtssitzes und in diesen Dörfern befanden sich auch die herrschaftlichen Vorwerke. Wenn man sich klarmacht, dass die Dienstpflicht nur dann Sinn und Zweck hat, wenn eine umfangreiche Eigenwirtschaft existiert, die mit diesen Diensten etwas anfangen kann, dass sonst aber die Hofdienste sinnlos wären, ist der Schluss naheliegend: das Amt bzw. der Landesherr behielt sich nur in dem ihm erwünschten Ausmaß und in den ihm geeignet erscheinenden Fällen Dienste vor und ließ sich sonst Abgaben zusichern. Die Bewirtschaftung der verhältnismäßig kleinen Vorwerke im Amt Lübben beanspruchte bei weitem nicht die gesamte Anzahl der Amtsuntertanen, so dass sich der Landesherr mehr auf die Stellung des Gerichtsherrn und reinen Grundherrn zurückzog und in erster Linie Wert auf Renteneinkommen legte. Auch die Untersuchungskommission hatte sich bemüht, darüber Nachricht zu erlangen, wann und aus welchen Ursachen heraus die Ablösung der Dienste erfolgt sei. Sie konnte aber lediglich feststellen, dass schon in den ältesten Rechnungen von 1665 die Bauern in Kuschkow, Gröditsch und Krugau mit Ansetzung eines Dienstgeldes verzeichnet waren. Im übrigen sprach die Kommission die Vermutung aus, da diese Dörfer zwei Meilen und darüber von Lübben entfernt lagen, dass sie wegen der allzu großen Entfernung auf Dienstgeld gesetzt waren.

In noch viel stärkerem Maße war es bei den vier Calauischen Amtsdörfern Werchow, Missen, Sähritz und Gosda der Fall, die mehr als drei Meilen vom Amtssitz entfernt waren und in deren Bereich kein einziges Vorwerk lag. Auch diese Dörfer waren insgesamt dienstgeldpflichtig. Diese Regelung im Amt Lübben galt aber nur bis auf Widerruf. Damit hatte es der Landesherr in der Hand, dass von Zeit zu Zeit die Summe des Dienstgeldes den veränderten Verhältnissen und dem im allgemeinen ja absinkenden Geldwert angepasst werden konnte bzw. bei Erweiterung des herrschaftlichen Vorwerksbesitzes die Dienste wieder einzuführen.

Abschließend lässt sich aber sagen, dass die wirtschaftliche und rechtliche Lage der bäuerlichen Bevölkerung des Amtes Lübben sich grundlegend aus der Masse der übrigen Herrschafts- und Gutsbauern in der Niederlausitz heraushebt.


 

 

Zurück zur Hauptseite von Kuschkow

   

Zurück zur Startseite von Fotografie und Architektur

   


 
 
Heimatkalender 1958 für den Spreewaldkreis Lübben.
Herausgegeben 1957 durch den Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands, Kreisleitung Lübben, Abteilung Kultur beim Rat des Kreises Lübben. Die aktuellen Lübbener Heimatkalender werden seit 1994 herausgegeben vom Lübbener Heimatverein e.V. Diese neuen Broschüren sind zu beziehen über den Heimat-Verlag Lübben oder den Buchhandel. Der neue Lübbener Heimatkalender beschäftigt sich überwiegend nur noch mit der Stadt Lübben, die Dörfer im Altkreis Lübben sind leider nicht mehr in dem Umfang vertreten wie vor 1990.

Bei der Textübernahme wurde die Rechtschreibung behutsam aktualisiert, in einigen Fällen die alte und in der Fachliteratur noch überall zu findende Schreibweise in Klammern beibehalten (Laßrecht, Laßzins, usw.); Textgliederungen, Hervorhebungen und Zwischenüberschriften hinzugefügt durch Norbert Rauscher.

Das Lassitische Besitzrecht, eine Art Nutzungsrecht, entwickelte sich offenbar zunehmend seit dem 17.Jahrhundert in Brandenburg und besonders in der seit 1623 sächsischen Niederlausitz; die Inhaber der Stellen wurden als "Lassiten" bezeichnet. Familien, die wüst gefallene oder erbenlose Stellen übernahmen, diese aber nicht bezahlen konnten, wurden diese Stellen durch die Herrschaft zeitlich befristet oder auch erblich gegen entsprechende Abgaben und Dienste überlassen - daher Lassiten, Lassrecht, Lasszins usw. Das in den Regionen nicht einheitlich ausgestaltete lassitische Recht war ein schlechtes Recht, weil Lassiten meist nur wenige Rechte innerhalb der Dorfgemeinschaft besaßen und von der Herrschaft nach Bedarf auf andere Stellen umgesetzt werden konnten - was eine Zukunftsplanung für die Stelleninhaber unmöglich machte. Es soll aber auch Lassiten gegeben haben, die mit ihrer Situation nicht unzufrieden waren, weil sie z.B. für die Instandhaltung ihrer Höfe nicht selbst zu sorgen hatten. Mit den Reformen ab 1810 wurde auch das Lassitentum aufgehoben.

Das Gebiet um Lübben (später Amt Lübben / Kreis Lübben) mit seinen Dörfern hat im Laufe der Zeit vielfach seine Landes- bzw. Staatszugehörigkeit gewechselt, was auch häufig wechselnde Rechtssysteme zur Folge hatte. Hier die wesentlichen Etappen und Zugehörigkeiten der jüngeren deutschen Geschichte:

1304-1367  Mark Brandenburg
1367-1448  Königreich Böhmen
1448-1462  Kurfürstentum Brandenburg (als Pfandbesitz von Böhmen)
1462-1526  Königreich Böhmen
1526-1623  Königreich Böhmen im Habsburgischen Kaiserreich (Österreich)
1623-1635  Kurfürstentum Sachsen (als Pfandbesitz von Böhmen)
1635-1806  Kurfürstentum Sachsen (dabei 1657-1738 zu Sachsen-Merseburg)
1806-1815  Königreich Sachsen
1815-1871  Königreich Preußen, Provinz Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt
1871-1918  Deutsches Reich, Königreich Preußen, Provinz Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt
1918-1939  Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt
1939-1945  Deutsches Reich, Freistaat Preußen, Provinz Mark Brandenburg, Regierungsbezirk Frankfurt
1945-1947  Sowjetische Besatzungszone, Provinz Mark Brandenburg (formell noch im Freistaat Preußen)
1947-1949  Sowjetische Besatzungszone, Land Brandenburg
1949-1952  Deutsche Demokratische Republik, Land Brandenburg
1952-1990  Deutsche Demokratische Republik, Bezirk Cottbus
seit 1990    Bundesrepublik Deutschland, Bundesland Brandenburg, Landkreis Dahme-Spreewald


 

 

Diese Seite ist ein Service von Dipl.-Architekt Norbert Rauscher aus D-16548 Glienicke/Nordbahn, Bundesland Brandenburg 

 

   

   

Letzte Aktualisierung dieser Seite am 20.3.2011

   

 

Copyright © Norbert Rauscher 2008-2024